Todesreigen
doch! Reden Sie mit mir!«
Der riesige Mann heulte und zitterte hysterisch, doch er antwortete nicht.
Keuchend erschien Sid Harper auf der Bildfläche. Er ließ sich neben Dale auf die Knie fallen. »In fünf Minuten ist der Krankenwagen hier. Wo hat’s ihn erwischt?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte der Detective. »Ich finde die Wunde nicht.«
Nun untersuchte auch Harper den Stalker. »Da ist nirgendwo Blut.«
Immer noch stöhnte Dale, als quälten ihn unerträgliche Schmerzen. »Oh Gott, nein… Nein…«
Plötzlich hörte Loesser Kari Swansons Stimme: »Ihm fehlt nichts. Ich habe ihm nichts getan.«
»Hilf ihr auf«, sagte der Detective zu Harper und setzte seine Untersuchung Dales fort. »Ich versteh es nicht. Er…«
»Oh mein Gott«, flüsterte Sid Harper benommen.
Loesser drehte sich zu seinem Assistenten um, der Kari mit offenem Mund anstarrte.
Nun warf ihr auch der Detective einen Blick zu. Er blinzelte befremdet.
»Ich habe wirklich nicht auf ihn geschossen«, bekräftigte Kari.
Aber…
War
dies Kari Swanson? Die Frau hatte dieselbe Größe, dieselbe Figur und dieselben Haare. Auch die Stimme war dieselbe. Aber an Stelle der außergewöhnlichen Schönheit, die sich nach ihrer ersten Begegnung in Loessers Gedächtnis eingebrannt hatte, hatte diese Frau völlig andere Züge: Sie hatte eine unvorteilhafte Nase, dünne ungleichmäßige Lippen, ein fleischiges Kinn und Falten auf der Stirn und um die Augen herum.
»Sind Sie… Wer sind Sie?«, stammelte Loesser.
Sie lächelte schwach. »Ich bin’s, Kari.«
»Aber… ich verstehe nicht.«
Sie warf einen verächtlichen Blick zu Dale hinüber, der immer noch auf dem Pier lag. Dann sagte sie zu Loesser: »Als er mir nach Crowell gefolgt ist, habe ich endlich begriffen, was passieren musste: Einer von uns musste sterben… Und ich habe mich für meinen Tod entschieden.«
»Ihren?«
Sie nickte. »Ich habe die Person getötet, von der er besessen war: Kari, das Supermodel.« Sie schaute aufs Meer und atmete tief durch. »Letztes Jahr habe ich unten in der Karibik einen Schönheitschirurgen kennen gelernt. Er besitzt eine Praxis in Manhattan und außerdem eine Klinik auf Haiti, wo er geboren wurde. Dort richtet er die Gesichter von Einheimischen wieder her, die bei Unfällen entstellt wurden.«
Sie lachte. »Er versuchte natürlich, mir näher zu kommen, und machte Witze darüber, dass ich ihn jederzeit anrufen könnte, wenn ich einen Schönheitschirurgen bräuchte. Aber er war in keiner Weise unangenehm, und ich mochte die freiwillige Hilfe, die er leistet. Irgendwie haben wir uns von Anfang an gut verstanden. Als ich letzten Monat die Entscheidung getroffen hatte, etwas wegen Dale zu unternehmen, rief ich ihn an. Ich dachte mir: Er kann entstellte Menschen ziemlich normal aussehen lassen, also kann er sicher auch schöne Menschen normal aussehen lassen. Ich traf mich mit ihm in New York. Zuerst wollte er die Operation nicht durchführen, aber ich gab ihm Hunderttausend für seine Klinik. Daraufhin änderte er seine Meinung.«
Loesser studierte ihr Gesicht aufmerksam. Sie war nicht hässlich. Sie wirkte einfach durchschnittlich – wie irgendeine von zehn Millionen Frauen, denen man auf der Straße begegnet, ohne sich nach ihnen umzudrehen.
David Dales schreckliches Stöhnen übertönte inzwischen das Heulen des Windes. Nicht körperlicher Schmerz klang heraus, sondern pures Entsetzen – darüber, dass die Schönheit, von der er besessen gewesen war, nicht mehr existierte. »Nein, nein, nein…«
Kari fragte Loesser: »Können Sie mir diese Dinger abnehmen?« Sie streckte ihm die Handschellen entgegen.
Harper öffnete sie.
Als Kari ihren Mantel fester um sich zog, erfüllte plötzlich eine wahnsinnige Stimme die Luft, die selbst den Lärm der Brandung übertönte. »Wie konntest du mir das antun?«, schrie Dale, der sich mittlerweile auf die Knie erhoben hatte. »Wie konntest du mir das antun?«
Kari hockte sich vor ihm nieder: »
Dir
das antun?«, schrie sie. »Wie ich aussehe, wer ich bin, wie ich mein Leben führe… das alles hat, verdammt noch mal, nicht das Geringste mit dir zu tun. Und das hatte es auch nie!«
Sie ergriff seinen Kopf mit beiden Händen. »Schau mich an!«
»Nein.« Er wehrte sich, um ihr sein Gesicht nicht zuwenden zu müssen.
»Schau mich an!«
Schließlich gehorchte er.
»Liebst du mich jetzt noch, David?«, fragte sie mit einem kalten Lächeln auf ihrem neuen Gesicht.
Er riss sich voller Ekel von ihr los und
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