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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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hatte es auf dessen Geige abgesehen.
    »Nein«, schrie der Mann. »Nehmen Sie sie nicht. Das können Sie nicht tun!«
    Tony zog seine Dienstwaffe, ging in die Hocke und sprach in sein Mikrofon: »Streife drei-acht-acht-vier, Raubüberfall Ecke Seven-Seven und Riverside. Brauche sofort Verstärkung. Der Verdächtige ist bewaffnet.«
    Täter wie Opfer hörten ihn und drehten sich beide zu ihm herum. Der Räuber riss vor Angst die Augen auf, denn er sah, dass der Polizist seine Waffe in beiden Händen hielt und Schusshaltung einnahm. »Hände hoch!«, schrie der Cop. »Sofort! Jetzt sofort!«
    Doch der Junge geriet in Panik. Einen Moment blieb er reglos stehen, dann riss er den Musiker als Schutzschild vor sich. Der hochgewachsene Mann umklammerte nach wie vor verzweifelt seinen Geigenkasten.
    »Bitte! Nehmen Sie sie nicht!«
    Mit zitternden Händen versuchte Tony, auf den Kopf des Räubers zu zielen. Doch das bisschen Haut, das er sehen konnte, war so schwarz wie die Maske und von den Schatten am Rand der Straße kaum zu unterscheiden. Es gab einfach kein deutliches Ziel.
    »Keine Bewegung«, sagte der Junge mit bebender Stimme. »Sonst bring ich ihn um.«
    Tony richtete sich auf, hob die linke Hand und drehte die Handfläche nach außen. »Schon gut, schon gut. Also, niemand ist verletzt. Wir können noch eine Lösung finden.«
    In einiger Entfernung waren Sirenen zu hören.
    »Her damit!«, fuhr der Junge den Musiker an.
    »Nein!« Der große Mann drehte sich um und zielte mit der Faust auf den Kopf des Jungen.
    »Nicht!«, rief Tony. Er rechnete fest damit, dass er jeden Augenblick das Knallen eines Schusses hören und den Mann zusammenbrechen sehen würde. Dann würde Tony auf sein Ziel anlegen, den Abzug seiner eigenen Waffe betätigen und zum ersten Mal im Dienst einen Menschen töten müssen.
    Doch der Junge schoss nicht. Im selben Augenblick öffnete sich die Tür zum Bühneneingang, und ein halbes Dutzend andere Musiker traten heraus. Als sie sahen, was sich vor ihnen abspielte, rannten sie panisch davon – einige liefen direkt zwischen Tony und den Räuber. Der Junge entriss dem Musiker die Geige, drehte sich um und floh.
    Tony hob die Waffe und brüllte: »Stehen bleiben!«
    Aber der Junge rannte weiter. Tony zielte auf seinen Rücken und begann, langsam Druck auf den Abzug auszuüben. Dann hielt er inne und ließ die Waffe sinken. Er seufzte und sprintete los, um den Jungen zu verfolgen, doch der Räuber war verschwunden. Kurz darauf hörte Tony das Anlassen eines Motors, und ein altes graues Auto – er konnte weder Nummernschild noch Fahrzeugtyp erkennen – schlidderte vom Randstein los und verschwand Richtung Norden. Tony meldete die Flucht, lief zu dem Musiker und half ihm auf die Beine. »Alles in Ordnung, Sir?«
    »Nein, es ist nicht alles in Ordnung«, stieß der Mann hervor und hielt sich die Brust. Er hatte einen Schock. Sein Gesicht war knallrot angelaufen, und Schweiß lief ihm über die Stirn.
    »Haben Sie einen Schuss abbekommen?«, fragte Tony und dachte, er hätte den Schuss einer Zweiundzwanziger oder Fünfundzwanziger vielleicht nicht gehört.
    Aber das war es nicht, was der Musiker meinte.
    Mit vor Wut zusammengekniffenen Augen richtete er sich auf. »Diese Geige«, erklärte er langsam, »ist eine Stradivari. Sie ist mehr als eine halbe Million Dollar wert.«
    Er richtete die stechenden Augen auf Tony. »Warum, zum Teufel, haben Sie nicht auf ihn geschossen, Officer?
Warum?
«
    Sergeant Vic Weber, Tonys Vorgesetzter, war als Erster am Tatort, gefolgt von zwei Detectives des Reviers. Dann, als sich herumgesprochen hatte, dass Edouard Pitkin, dem Dirigenten, Komponisten und Ersten Geiger des New American Symphony Orchestra, sein unbezahlbares Instrument geraubt worden war, erschienen weitere vier Detectives aus der Zentrale. Und die Journalisten natürlich. Haufenweise Journalisten.
    Pitkin, der – abgesehen von einem kleinen Riss in seiner Anzughose – immer noch tadellos aussah, stand mit verschränkten Armen und höchst verärgerter Miene am Ort des Geschehens. Er schien Probleme mit dem Atmen zu haben, hatte aber mit eindeutiger Gestik die Sanitäter verscheucht wie lästige Fliegen. »Das ist inakzeptabel. Völlig inakzeptabel«, erklärte er Weber.
    Weber, ein grauhaariger Mann, der eher wie ein Soldat als wie ein Polizist wirkte, versuchte zu erklären: »Mr. Pitkin, ich bedaure wirklich Ihren Verlust…«
    »
Verlust?
Bei Ihnen klingt es so, als wäre meine MasterCard gestohlen

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