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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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worden.«
    »…aber es gab wirklich nichts, was Officer Vincenzo noch hätte tun können.«
    »Dieser Junge wollte mich umbringen, und er«– Pitkin deutete mit dem Kopf auf Tony –»hat ihn entkommen lassen. Mit meiner Geige. Solch ein Instrument gibt es kein zweites Mal auf der Welt.«
    Das stimmt nicht ganz, dachte Tony, der immerhin mit einem Vater groß geworden war, der es liebte, der Familie am Esstisch musikalische Anekdoten aufzutischen, während seine Mutter die Tortellini servierte. Tony erinnerte sich genau, wie sein Vater seiner Ehefrau und den Kindern mit ernster Miene berichtet hatte, dass ungefähr sechshundert Geigen von Antonio Stradivari existierten – etwa die Hälfte der Instrumente, die der italienische Instrumentenbauer geschaffen hatte. Tony zog es für den Augenblick allerdings vor, diesen informativen Leckerbissen nicht mit dem Geiger zu teilen.
    »Alles ist genau nach Vorschrift abgelaufen«, fuhr Weber fort, wenig interessiert an der Einzigartigkeit des gestohlenen Gegenstandes.
    »Nun, dann müssen die Vorschriften geändert werden«, platzte Pitkin heraus.
    »Ich hatte kein klares Ziel vor Augen«, sagte Tony und ärgerte sich selbst darüber, dass er das Bedürfnis verspürte, sich einem Zivilisten gegenüber zu rechtfertigen. »Man kann Verdächtigen nicht einfach in den Rücken schießen.«
    »Er war ein Krimineller«, sagte Pitkin. »Und, mein Gott, es war ja nicht so, als ob… Ich meine, er war schwarz.«
    Webers Miene versteinerte. Er schaute zu dem Detective hinüber, der die Ermittlungen leitete, einem rundlichen Mann in den Vierzigern, der die Augen verdrehte.
    »Tut mir Leid«, sagte Pitkin schnell. »Es ist einfach ziemlich beängstigend, wenn man eine Pistole gegen die Rippen gedrückt bekommt.«
    »Hey«, rief ein Reporter aus der Menge herüber. »Wie wär’s mit einer Stellungnahme?«
    Tony wollte gerade etwas sagen, doch der Detective kam ihm zuvor. »Keine Stellungnahmen im Augenblick. Der Chief wird in einer halben Stunde eine Pressekonferenz abhalten.«
    Ein anderer Detective trat auf Pitkin zu. »Was können Sie uns über den Angreifer sagen?«
    Pitkin überlegte einen Augenblick. »Ich glaube, er war etwas über einsachtzig groß…«
    »Einsachtundachtzig«, korrigierte ihn Tony. »Er war größer als Sie.« Mit einssiebzig war Tony Vincenzo ein aufmerksamer Beobachter, was Körpergröße betraf.
    Pitkin fuhr fort: »Er war kräftig gebaut.« Ein Blick auf Weber. »Er war
Afro-Amerikaner
. Er trug eine schwarze Skimaske und schwarze sportliche Kleidung.«
    »Und schwarz-rote Nike Air-pumps«, ergänzte Tony.
    »Und eine teure Uhr. Eine Rolex. Ich frage mich, wen er getötet hat, um sie zu bekommen.« Diesmal bedachte er Tony mit einem Seitenblick. »Ich frage mich, wen er als Nächsten töten
wird
? Jetzt, wo er geflüchtet ist.«
    »Sonst noch etwas?«, fragte der Detective sachlich.
    »Warten Sie. Ich erinnere mich an etwas. Er hatte Puder an den Händen. Weißen Puder.«
    Die Detectives sahen einander an. Einer sagte: »Drogen. Kokain. Vielleicht Heroin. Vielleicht brauchte er einen Schuss, und Sie waren zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort. Gut, Sir, das ist hilfreich. Damit haben wir einen Anhaltspunkt. Dann machen wir uns an die Arbeit.«
    Sie stiegen eilig in ihren schwarzen Ford und rasten los.
    Eine junge Frau in einem roten Kleid trat auf Weber, Tony und den Geiger zu und verkündete: »Mr. Pitkin, ich komme aus dem Büro des Bürgermeisters. Er hat mich gebeten, Ihnen im Namen der Einwohner von New York seine aufrichtige Entschuldigung auszusprechen. Wir werden nicht ruhen, bis wir diese Geige zurückbekommen und Ihren Angreifer hinter Schloss und Riegel gebracht haben.«
    Doch Pitkin hatte sich kein bisschen beruhigt. Er platzte heraus: »Das habe ich davon, dass ich Orte wie diesen hier besuche.«
    Er deutete mit dem Kopf auf die Konzerthalle, konnte aber ebenso gut die ganze Stadt gemeint haben. »Von jetzt an arbeite ich nur noch im Studio. Wozu sind diese Aufführungen überhaupt gut? Die Zuschauer sitzen da wie die Steine, sie husten und niesen, sie kleiden sich nicht mal mehr angemessen. Können Sie sich vorstellen, wie es ist, vor Menschen in Jeans und T-Shirts Brahms zu spielen? …Und dann
so etwas
erleben zu müssen!«
    »Wir werden alles tun, was in unseren Möglichkeiten steht«, sagte sie. »Das verspreche ich Ihnen.«
    Der Geiger hatte sie nicht gehört. »Diese Geige. Sie hat mehr gekostet als mein Stadthaus.«
    »Nun…«,

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