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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Revier aus an, um ihr zu sagen, sie solle nicht auf ihn warten. Er hätte einen Spezialauftrag.
    »Es ist doch nicht gefährlich, Schatz, oder?«
    »Nein, ich soll nur bei einem Fall mit einem hohen Tier aus der Musikwelt aushelfen.«
    »Wirklich? Das ist großartig.«
    »Schlaf ein bisschen. Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch, Tony.«
    Dann zog er Straßenkleidung an und fuhr in seinem eigenen Wagen Richtung Norden. Seine Jeans und Sneakers trug er nur, weil es bequemer war. Dort, wo er hinfuhr – zur Johnny-B-Billardhalle –, bestand nicht die geringste Chance, unauffällig zu bleiben, weil Tony der einzige Weiße war. Und wenn irgendwer »Bulle« auf die Stirn gemalt trug, dann Tony Vincenzo. Aber das war jetzt egal. Er war nicht hier, um irgendjemanden zu täuschen. Er hatte lange genug auf der Straße gearbeitet, um zu wissen, dass es nur einen Weg gab, um Informationen von Leuten zu bekommen, die eigentlich wenig geneigt waren, einem diese Informationen zu geben: kaufen und verkaufen. Natürlich verfügte er als Streifenpolizist nicht über Bestechungsgeld; dennoch glaubte er, ein gutes Angebot machen zu können.
    »Hey, Sam«, rief er und ging zur Bar.
    »Hi, Tony. Was machst du denn hier?«, fragte der weißhaarige alte Barkeeper mit krächzender Stimme. »Willst du ein Spielchen machen?«
    »Nein, ich such nach einem Arschloch.«
    »Mann, davon gibt’s hier reichlich.«
    »Nee, mein Junge ist untergetaucht. Hat heute Abend was geklaut und ist mir entkommen.«
    »Persönlich, was?«
    Tony antwortete nicht. »Wie geht’s eigentlich deinem Bruder?«
    »Billy? Was glaubst du denn? Wie würd’s dir denn gefallen, vier Jahre in einer Neun-Quadratmeter-Zelle zu verbringen und zu wissen, dass du noch vier Jahre vor dir hast?«
    »Das würde mir ganz und gar nicht gefallen. Aber es hätte mir auch nicht gefallen, wenn ich die Kassiererin gewesen wäre, der er eine Kugel angedroht hat.«
    »Ja, schon gut. Aber er hat
nicht geschossen
. Stimmt’s?«
    »Sag mal, wie würde es Billy-Boy denn gefallen, wenn er vielleicht nur noch
drei
Jahre vor sich hätte anstatt vier?«
    Sam schenkte Tony ein Bier ein, das dieser zur Hälfte austrank.
    »Weiß nicht«, sagte Sam. »Wahrscheinlich würd’s ihm gefallen, wenn er bloß noch
ein
Jahr vor sich hätte anstatt vier.«
    Tony überlegte kurz. »Wie klingen denn achtzehn Monate?«
    »Du bist Streifenbulle. Kannst du so was hinbiegen?«
    Tony vermutete, dass er in diesem Punkt auf die Unterstützung des Bürgermeisters zählen konnte. Schließlich stand das kulturelle Ansehen New Yorks auf dem Spiel. »Ja, das kann ich hinbiegen.«
    »Aber hör mir zu. Ich lass mir nicht den Arsch wegballern, weil ich böse Jungs verpfeife.«
    »Ich hab ihn in Aktion gesehen. Keine Sorge. Er war allein. Trug keine Farben einer Gang. Außerdem hat er sich das falsche Opfer ausgesucht und wird lange, lange aus dem Verkehr gezogen werden. Er wird alt und grau sein, ehe er wieder aus Ossining herauskommt.«
    »Na gut. Hast du ’nen Namen?«
    »Kein Name.«
    »Wie sieht er aus?«, fragte Sam.
    Tony fragte: »Seh ich so aus, als könnte ich durch eine Skimaske gucken?«
    »Oh.«
    »Er ist Einsachtundachtzig plus minus ein paar Zentimeter. Kräftig. Trug schwarze Trainingsklamotten und schwarzrote Nike Air-pumps. Oh, und eine falsche Rolex.«
    Denn kein Gauner war dumm genug, bei einem Job eine Dreitausend-Dollar-Uhr zu tragen – sie konnte viel zu leicht Schaden nehmen oder verloren gehen.
    »Außerdem spielt er Pool.«
    »Das weißt du?«
    »Das weiß ich.«
    Denn egal, was die Detectives aus der Zentrale dachten, Tony war klar, dass es Billardkreide gewesen war, die Pitkin an seinen Händen gesehen hatte. Kein Drogendealer oder Junkie würde mit Kokain oder Heroin so nachlässig umgehen, dass sichtbare Reste an seinen Händen zurückblieben. Und wenn doch, würde er sie sofort ablecken. Deswegen war Tony hier – er wusste, dass der Täter ein echter Pool-Spieler sein musste, wenn er vor einem solchen Job Kreide an den Händen hatte. Und es gab zwar eine Menge Pool-Hallen in New York City, aber nicht viele, die den Bedürfnissen echter Pool-Spieler gerecht wurden – und nur ganz wenige, die den Bedürfnissen schwarzer echter Pool-Spieler gerecht wurden.
    Doch nach kurzem Nachdenken schüttelte der Barkeeper traurig den Kopf. »Mann, ich würd ja gerne sagen, ich hätte ihn gesehen. Aber kennst du Uptown Billiards?«
    »Auf der Lex?«
    »Ja«, sagte Sam. »Da lief heute Abend ein

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