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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Kindern und brauche Essen, Kleider und das Geld für die Kindertagesstätte.
Wovon
soll ich eine Geige kaufen, Mann? Ich hab kein Geld.«
    »Wo hast du das Spielen gelernt? In der Schule?«
    »Ja, in der Schule. Ich war ziemlich gut.« Er lächelte, und Tony nahm das Glitzern eines Goldzahns wahr.
    »Und was dann? Hast du die Schule abgebrochen, um zu arbeiten?«
    »Als Daddy abgehauen ist, ja. Vor zwei Jahren.«
    »Und dann hast du einfach beschlossen, wieder Geige zu spielen? Weil du damit mehr Geld verdienen kannst als beim Pool, stimmt’s?«
    Williams blinzelte. Dann seufzte er ärgerlich, weil ihm klar wurde, wie Tony ihn erwischt hatte. »Was ich bei A&P fürs Kistenstapeln bekomme, reicht einfach nicht aus, Mann.« Er schloss die Augen und stieß ein bitteres Lachen aus.
    »Also dreh ich ein krummes Ding… scheiße. Ich hab nie gedacht, dass mir das passieren könnte. Mann, ich hab mich echt bemüht, sauber zu bleiben. Ich wollte nur genug verdienen, um meine Tante aus North Carolina herzuholen, damit sie mir bei den Kindern helfen kann. Sie hat gesagt, sie würde ja herziehen, hätte aber kein Geld dafür. Das kostet ein paar Tausend.«
    »Du kennst doch den Spruch: Wenn du dir den Knast nicht leisten kannst, dann dreh auch keine Dinger.«
    »Scheiße.« Williams schaute mit einem eigenartigen, beinahe sehnsüchtigen Blick auf die Geige.
    Tony beobachtete die dunklen Augen des jungen Mannes. Er sagte: »Okay, ich sag dir, was ich tun werde. Ich nehm dir die Handschellen für ein paar Minuten ab, wenn du ein letztes Mal auf ihr spielen willst.«
    Die Andeutung eines Grinsens. »Echt?«
    »Klar. Aber sobald du die kleinste Bewegung machst, die mir nicht gefällt, hast du eine Kugel im Arsch.«
    »Nein, Mann. Geht schon klar.«
    Tony schloss die Handschellen auf und trat zurück. Seine Waffe zielte knapp an dem Gefangenen vorbei.
    Williams nahm die Geige und spielte ein neues Riff. Er schien ein Gefühl für das Instrument zu bekommen. Diesmal klang es wesentlich voller und weicher. Er leitete zu »Go Tell Aunt Rhody«über und improvisierte eine Weile über die Melodie. Dann spielte er einige klassische Übungen. Etwas von Bach, glaubte Tony. Und auch ein Stück von »Ain’t Misbehavin’«. Schließlich einige Melodien, die Tonys Mutter gespielt hatte, als er noch klein war. Nach einer Weile brach Williams sein Spiel ab, seufzte und warf das Instrument in seinen Kasten. Mit einer Kopfbewegung zur Geige hin erklärte er: »Ist schon komisch, oder? Da denkt man monatelang darüber nach, etwas zu stehlen, und wenn man sich endlich dazu durchringt, kriegt man so einen alten Schrotthaufen wie diesen hier, total abgenutzt und alles.«
    Auch Tony musterte die Kerben im Holz, die Kratzer, den abgenutzten Hals.
    Sie hat mehr gekostet als mein Stadthaus

    »Gut, mein Sohn, es wird Zeit zu gehen.« Er nahm die Handschellen vom Tisch. »Wir benachrichtigen jemanden vom Sozialamt, der sich um die Kinder kümmern kann.«
    Als er zum Schlafzimmer hinüberschaute, verschwand das Grinsen von Williams’ Gesicht.
    »Mann«, sagte er. »Mann.«
    Die Lobby des Sherry-Netherland-Hotels kam Tony Vincenzo, der die Qualität eines Hotels nach der Dauer der Happy-Hour und den Quadratmetern Chrom in der Lobby bemaß, ziemlich kahl vor. Aber das hier war Reiche-Leute-Territorium, und was verstand er schon von reichen Leuten?
    Außerdem war die Lobby klein. Jetzt wirkte sie noch kleiner, weil sie mit Reportern und Cops voll gestopft war. Auch die Frau im roten Kleid aus dem Büro des Bürgermeisters war da. Und Sergeant Weber war da, der genervt aussah, weil man ihn um zwei Uhr morgens aus dem Bett geholt hatte, damit er bei diesem Auftrieb zu Ehren eines Arschlochs dabei war, ganz egal, wie berühmt der Kerl sein mochte.
    Tony trat mit der Geige unter dem Arm in die Lobby. Er blieb vor Weber stehen, dessen üblicher mürrischer Gesichtsausdruck noch ein wenig mürrischer wirkte, als er die Fragen der Reporter abwehrte.
    Ein frisch frisierter und strahlender Edouard Pitkin in Anzug und Krawatte – Herr im Himmel, um diese Uhrzeit! – trat aus dem Aufzug direkt ins strahlende Licht. Er bewegte sich schnell auf Tony zu, um die Geige in Empfang zu nehmen. Aber Tony überreichte sie ihm noch nicht. Stattdessen schüttelte er einfach die Hand des Musikers.
    Pitkin geriet für einen Moment aus dem Rhythmus, doch angesichts der versammelten Presse fand er sein Lächeln wieder und erklärte: »Was soll ich nur sagen, Officer? Ganz

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