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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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erhaschte er einen kurzen Blick auf Williams, der gerade in einen Raum ging, bei dem es sich wahrscheinlich um die Küche handelte. Bingo!
    Er hatte den Geigenkasten in der Hand und trug immer noch seinen Trainingsanzug. Was bedeutete, dass er wahrscheinlich auch noch bewaffnet war.
    Einmal tief Luft holen.
    Also, was tun wir? Verstärkung oder nicht?
    Nein… Die Chance ist einmalig. Ich mach’s allein und hol mir das goldene Abzeichen.
    Oder werde getötet.
    Denk nicht daran.
    Tu’s einfach!
    Leise kletterte Tony durch das Fenster in ein kleines Wohnzimmer. Er nahm einen säuerlichen Essensgeruch und die Ausdünstungen schmutziger Kleidung wahr. Langsam schlich er in den Flur und blieb unmittelbar vor der Küche stehen. Er wischte den Schweiß von seiner Schusshand.
    Okay, los jetzt.
    Eins…
    Zwei…
    Tony erstarrte.
    Aus der Küche drang Musik.
    Geigenmusik.
    Ein bisschen kratzend, ein bisschen quietschend. Wie von einer rostigen Tür. Dann aber versuchte sich der Geiger an einigen Tonleitern, und der Klang wurde weich und voll. Mit klopfendem Herzen und dicht an die Wand gedrückt, neigte Tony lauschend den Kopf zur Seite, während der Geiger zu einigen jazzigen Riffs überging.
    Also waren zwei Personen in der Küche, vielleicht auch mehr. Williams’ Hehler wahrscheinlich. Oder vielleicht sogar der Käufer der Strad. Bedeutete das auch mehrere Schusswaffen?
    Doch noch
Verstärkung?
    Nein, dachte Tony, zu spät. Jetzt gab es keine Möglichkeit mehr, außer die Festnahme zu versuchen.
    Er bewegte sich blitzschnell um die Ecke herum und ging in die Hocke. Pistole auf Augenhöhe.
    »Keine Bewegung!«, schrie er. »Alle!«
    Aber alle gab es nicht.
    Es gab nur einen hochgewachsenen, pummeligen Devon Williams, der die Geige unters Kinn geklemmt hatte und in seiner rechten Hand den Bogen hielt. Als er Tony bemerkte, hielt er mit offenem Mund und vor Schreck weit aufgerissenen Augen die Luft an.
    »Mann, haben Sie mir einen Schrecken eingejagt.« Langsam ließ er die Schultern sinken und stieß einen Seufzer aus. »Mann, Sie sind’s. Der Cop.«
    »Sie sind Devon Williams?«
    »Ja, der bin ich.«
    »Legen Sie sie hin.«
    Langsam legte er die Geige auf den Tisch.
    »Leeren Sie Ihre Taschen aus.«
    »Ja, Mann, aber reden Sie nicht so laut. Da sind Kinder im anderen Zimmer. Sie schlafen.«
    Tony amüsierte sich über die ernsthafte Mahnung des Jungen.
    »Sonst noch jemand?«
    »Nein, nur die Kinder.«
    »Sie lügen mich jetzt hoffentlich nicht an?«
    »Nein, Mann.« Er seufzte empört. »Ich lüge nicht.«
    »Leeren Sie die Taschen. Ich sag’s nicht noch mal.«
    Der junge Mann gehorchte.
    »Wo ist die Knarre?«
    »Die was?«
    »Machen Sie keine Witze. Ihre Waffe.«
    »Meine Waffe? Ich hab keine.«
    »Ich hab sie heute Abend gesehen. Vor der Konzerthalle.«
    Williams deutete auf den Tisch. »Die hab ich benutzt.« Er zeigte auf eine in Cellophan eingewickelte Kaugummizigarre. »Ich hab sie einfach in meine Tasche gesteckt. Das hab ich mal in einem Film gesehen.«
    »Verarsch mich nicht!«
    »Das tue ich nicht.« Er drehte seine Taschen um, auch die auf der Brust seines Sweatshirts. Sie waren leer.
    Tony legte ihm Handschellen an. Dann musterte er Williams aufmerksam. »Wie alt bist du?«
    »Siebzehn.«
    »Und du wohnst hier?«
    »Ja.«
    »Allein?«
    »Nein, Mann, mit den Kindern. Sag ich doch.«
    »Deine Kinder?«
    Er lachte. »Das sind meine Brüder und meine Schwester.«
    »Wo sind deine Eltern?«
    Wieder lachte er. »Wo immer sie sein mögen, hier sind sie jedenfalls nicht.«
    Tony las ihm seine Rechte vor. Dabei sagte er sich: Ich hab den Täter, ich hab die Geige, und niemand ist verletzt worden. Beim nächsten Turnus bin ich Detective Vincenzo.
    »Hör zu, Devon, nenn mir den Namen deines Hehlers, dann sag ich dem Staatsanwalt, dass du kooperiert hast.«
    »Ich hab keinen Hehler.«
    »Blödsinn. Wie wolltest du die Geige denn ohne Hehler verkaufen?«
    »Ich wollte sie nicht verkaufen, Mann. Ich hab sie für mich geklaut.«
    »Für dich?«
    »Sag ich doch. Um zu spielen. Und ein bisschen Geld in der U-Bahn zu verdienen.«
    »Blödsinn.«
    »Stimmt aber.«
    »Warum riskierst du dann solchen Ärger? Warum kaufst du nicht einfach eine? Wir reden doch nicht von einem BMW. In jedem Pfandhaus kannst du für zwei oder drei Hunderter eine Geige mitnehmen.«
    »Oh, klar. Und wo krieg ich dreihundert her? Mein alter Herr ist abgehauen, und meine Mutter ist auf und davon mit irgendeinem Lover. Jetzt sitze ich hier mit den

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