Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
machen?“
Reiser überlegte einen Moment und antwortete:
„Ich springe also aus dem Bett und schnappe mir meine Klamotten.“
„Genau“, unterbrach ihn Simon, „und was würdest du zuerst anziehen?“
„Meine Hose natürlich.“ Reiser blickte Simon triumphierend an.
„Ja, so würde ich es auch machen, Reiser.“
„Ob es darüber irgendwelche wissenschaftlichen Untersuchungen gibt, auch das wäre eine Frage für Dr. Maike Gottburg. Ich glaube, wenn ich ihr damit komme, bin ich vollkommen abgemeldet bei ihr.“ Reisers Lächeln wurde immer breiter. „Ach, wahrscheinlich liegen wir vollkommen falsch und es hat im Grunde gar nichts zu bedeuten.“
„Nein, Reiser, ich glaube schon, dass es etwas bedeutet, nur wissen wir halt nur noch nicht, was. Die fehlende Hose muss ein Indiz für etwas sein, genauso wie sein fehlendes Auto.“
„Vielleicht, um Spuren zu beseitigen?“
„Könnte ein Grund sein, ja.“
„Es wäre doch auch durchaus denkbar, dass man ihn im Schlaf überrascht und ihn dann gezwungen hat, ohne Hose und Schuhe in die Garage zu gehen. Aber warum sollte der Mörder das machen? Das ist zu aufwendig und die Gefahr, gesehen zu werden, ist viel größer. Er hatte doch die Möglichkeit, ihn direkt im Schlafzimmer zu ermorden.“
„Genau, Reiser, genau das hat er auch gemacht, ihn im Schlafzimmer ermordet.“
„Wie? Wie das denn, er lag doch in der Garage.“
„Exakt, Reiser, da ist er dann auch gestorben. Er hat noch versucht, zum Auto zu kommen, aber das war gar nicht da.“
„Hat man eigentlich sein Handy gefunden?“
„Nein, soviel ich weiß, nicht. Keine Hose, keine Schuhe, kein Handy und kein Auto, da wollte wohl jemand auf Nummer sicher gehen.“
„Wir müssen Sebastian Witt auf jeden Fall fragen, wie er in die Garage gekommen ist, ob die Tür offen stand oder ob sie abgeschlossen war.“
Sie verließen das Haus durch die Vordertür. Im Haus war es dunkel, sodass die grelle Sonne sie blendete. Dabei übersahen sie die ältere Dame.
„Was machen Sie in meinem Haus? Wo ist Christoph?“, fragte eine helle, jedoch energische Frauenstimme. Die Frau sprach eindeutig mit einem ausgeprägten englischen Akzent. Simon konnte nicht gleich reagieren, so perplex war er. Mit seinen Händen schirmte er seine Augen ab und starrte die Frau an, als sei sie eine Fata Morgana.
Reisers erster Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss, war die Vorstellung, einen wahrhaftigen Geist vor sich zu sehen, obwohl er als, seiner Meinung nach, völlig rational denkender Mensch solchen Unsinn nicht glaubte. Stets hatte er mit einer gewissen Großspurigkeit nur ein müdes Lächeln für seine Mitmenschen übrig gehabt, die am Aberglauben, wie Maskottchen, schwarze Katzen oder Pechzahlen, festhielten, als ob es das Normalste von der Welt wäre. Reiser hingegen, ein Hüter der Vernunft, glaubte nur an das, was er mit seinen eigenen Augen sehen und verstehen konnte. Für einen kurzen Moment, als er die Erscheinung – in ein wallendes helles Gewand gekleidet – im gleißenden Sonnenlicht erblickte, zweifelte er ernsthaft an seinem Verstand.
„Also, Gentlemen?“, sprach das Wesen und Reiser überlegte krampfhaft, aus welchem Grund ein ausländisches Gespenst vor ihnen erscheinen und sie mit funkelnden Augen anstarren sollte. „Wo ist mein Neffe? Und was machen all die Leute hier?“
Langsam löste sich Reiser aus seiner Erstarrung und allmählich kam ihm die Erkenntnis, dass er sich nicht gänzlich zum Affen machen sollte. Sein Blick fiel auf Simon, dessen Mimik sichtlich zwischen Komik und Ernst hin und her schwankte. Mit anderen Worten ausgedrückt: Man hätte seinen Gesichtsausdruck auch als töricht bezeichnen können.
Simon räusperte sich und fand als Erster seine Sprache wieder:
„Madam“, automatisch, ohne überhaupt darüber nachzudenken, bediente er sich dieser höflichen britischen Anredeform, „würden Sie uns bitte ins Haus folgen. Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie das Gelände ohne unsere Erlaubnis nicht einfach so hätten betreten dürfen.“ Leichter Unmut schwang in Simons Stimme, doch ein Blick auf das blasse Gesicht der älteren Dame stimmte ihn ein wenig milder. Das Unverständnis in ihren Augen war einer Besorgnis gewichen.
„Ist Ihnen das Absperrband nicht aufgefallen?“, fragte er überflüssigerweise, denn im gleichen Moment, als er diese Worte aussprach, ahnte er wohl, dass diese Frau sich nicht so leicht von etwas abhalten lassen würde, schon gar nicht
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