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Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)

Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)

Titel: Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Wilhelmy
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Veränderungen zu verarbeiten.
    Was hatte sie erwartet? Dass die moderne Zeit mit all ihren negativen Einflüssen, den hässlichen Gebäuden, der Verkehrsbelastung und der Verwahrlosung der Grünflächen ihren Geburtsort verschont hatte? Sie wusste es nicht. Aber 40 Jahre waren eine lange Zeit. Auch wenn sie nicht im Guten weggegangen war, so hatte sie sich in ihren Gedanken viele schöne Erinnerungen bewahrt. Sie war sich sicher, wenn sie nur lange und geduldig suchen würde, würde sie sicher auch Positives in diesem Ort entdecken.
    Doch jetzt musste sie zunächst einmal die schreckliche Realität verdauen. Tee , dachte Molly daraufhin mit der ihr eigenen praktischen Veranlagung. Ein schöner, starker englischer Tee beruhigt die Geister und wärmt von innen. Nur nicht die Contenance verlieren, jetzt einen Schritt nach dem anderen machen. Sie eilte zurück in ihr Wohnmobil, das sie vor dem Haus abgestellt hatte, um sich ihre Teeutensilien zu holen. Ohne sich weitere Gedanken über die Raumaufteilung zu machen, lief sie wie von Geisterhand gezogen durch die Diele in eine für heutige Verhältnisse große Küche. Ja, früher waren diese Räume immer der Mittelpunkt der Familien gewesen, heutzutage wurden sie eher winzig gebaut oder aber man favorisierte amerikanische Küchen, die in den Wohnraum integriert wurden. Nein, Molly bevorzugte eine geräumige und gemütliche Wohnküche, in der man viele schöne Stunden mit netten Leuten oder auch allein verbringen konnte. Sie entdeckte einen Wasserkocher, und während sie sich den Tee zubereitete, schaute sie sich in der Küche ihres verstorbenen – den Gedanken an eine Ermordung schob Molly erst einmal von sich – Neffen aufmerksam um. Die Möbel schienen größtenteils noch aus der Zeit der 50er-Jahre zu stammen, an die bequeme Sitzecke, die aus massivem Holz gefertigt worden war, mit ihren bunten Kissen konnte Molly sich noch vage erinnern. Allein einige hochmoderne, silberglänzende elektrische Geräte ließen einen Bezug zur Gegenwart herstellen.
    Was ist Christoph wohl für ein Mensch gewesen? , fragte sich Molly. Sie hatte ihn nur oberflächlich durch einige Briefe und wenige Telefonate in den letzten Jahren kennengelernt. Als vor einiger Zeit ihr Bruder, der aufgrund seines Lebenswandels von ihren Eltern enterbt worden war, verstarb, informierte sie ein von ihr beauftragter Anwalt schriftlich. Er war der Einzige, dem ihr Aufenthaltsort bekannt war. Dieser erzählte ihr dann von Christoph und so kam ein Kontakt zustande. Sie vermietete ihm das Haus weiterhin wie zuvor ihrem Bruder. Und vor einigen Wochen äußerte er dann den Wunsch, das Haus, in dem er ja aufgewachsen war, zu kaufen. Molly hatte keinerlei Bedenken. Sie waren sich schon fast einig geworden, als sie dann plötzlich und unerwartet Witwe wurde. Eine Zeit lang war sie wie gelähmt, eine tiefe Trauer legte sich wie ein alles umhüllender Mantel auf ihr Gemüt. Doch selbst in den schwärzesten Nächten spürte Molly die fürsorgliche Obhut ihres Mannes, der sie auch aus dem Totenreich tröstete und unterstützte. Schnell fasste sie wieder neuen Lebensmut.
    Einem inneren Drang folgend machte sie sich dann auf den Weg in die alte Heimat, um den Verkauf des Hauses mit ihrem Neffen persönlich abzuschließen und anschließend noch eine Weile mit ihrem Wohnmobil durch Deutschland zu reisen. Sie hatte durch den Beruf ihres Mannes, der als angesehener Architekt darauf spezialisiert war, historische Gebäude zu restaurieren, viele unterschiedliche Länder kennen- und liebengelernt. Um ihre alte Heimat hatten sie aber immer einen großen Bogen gemacht.
    Armer Christoph , dachte Molly mitleidig, du hattest das ganze Leben noch vor dir. Ich hoffe, die beiden Kommissare finden deinen Mörder. Aber bitte schnell, damit deine Seele Ruhe im Jenseits findet und nicht auf immer und ewig in diesem schönen alten Haus herumgeistern muss. Denn eines glaubte Molly aus tiefster Überzeugung: In jedem Gemäuer, in dem ein Mensch gewaltsam zu Tode gekommen war, spukte es. Ein Zitat von Shakespeare kam ihr in den Sinn und stimmte sie noch trauriger: „Doch eh ein Mensch vermag zu sagen: schaut! Schlingt gierig ihn die Finsternis hinab: So schnell verdunkelt sich des Glückes Schein!“
    Tief in Gedanken versunken trank Molly ihren Tee, erhob sich nach einer kleinen Weile und wandelte dann still durch die restlichen Zimmer ihres vorläufigen Zuhauses. Sie hatte sich auf die Suche nach den Gespenstern der Vergangenheit und der

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