Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
waren, Revue passieren. Eigenartige Zufälle, wie zum Beispiel die Entdeckung alter Fotografien ihrer Familienangehörigen, die sie in den Flohmarktsachen einer netten zurückhaltenden Frau gefunden hatte, oder auch das Zusammentreffen mit Karl, dem lieben alten Freund aus Kindheitstagen, waren ja noch positive Überraschungen gewesen. Aber alles andere …
Was war nur aus dem einst so beschaulichen kleinen Städtchen Heiligenburg geworden? Korrupte Politiker, schöne alte Häuser, die abgerissen wurden, hässliche Gewerbegebiete, die die Wälder und Erholungsgebiete der Menschen verdrängen sollten, sogar ein zweiter Mord war geschehen. Wo sollte das nur hinführen?
„Mir scheint, die Hölle ist leer und alle Teufel sind hier in Heiligenburg!“, zitierte Molly mal wieder frei einen ihrer liebsten Shakespeare-Sprüche. Dabei musste sie unwillkürlich an den kürzlich stattgefundenen Zusammenstoß mit diesem unverschämten Polizisten denken. Am besten hielte sie sich in Zukunft nur an den anderen Kommissar. Der war ihr doch wesentlich besonnener und sympathischer erschienen.
Unversehens fiel ihr Blick wieder auf die vor ihr liegende Zeitung. Nachdem die Spurensicherung den Tatort, d.h. ihr Häuschen und Christophs persönliche Sachen, die nicht von ermittlungstechnischer Relevanz waren, wieder freigegeben hatte, hatte sich Molly daran gemacht, die restliche Hinterlassenschaft in Christophs altes Schlafzimmer zu schaffen und zu sortieren. Die noch brauchbare Kleidung wollte sie morgen in die Kleidersammlung einer hiesigen Pfarrgemeinde bringen. Auch für die Sportgeräte und diversen technischen Gegenstände, für die Molly keine Verwendung hatte, war schon ein Abnehmer gefunden worden. Die wenigen persönlichen Dinge Christophs, darunter ein Fotoalbum und etliche Dokumente, verstaute sie erst einmal in Kisten. Sie würde sich später damit beschäftigen. Als sie die letzte Schublade seines Schreibtisches geleert hatte, hatte sie eine alte, zusammengefaltete Zeitung und in dieser versteckt einen handgeschriebenen Brief entdeckt, den sie erst einmal in ihre Schürzentasche gesteckt hatte. Die Zeitung würde Molly nicht aufbewahren, aber bevor sie in der Mülltonne landete, könnte sie ja mal einen Blick hineinwerfen. Sie interessierte sich eben für jeglichen alten Krempel, wie ihr lieber Eduard immer festgestellt hatte.
So war es gekommen, dass Molly jetzt neugierig in der besagten Zeitung blätterte und unvermittelt das Datum der Erscheinung entdeckte.
„Etwa fünf Jahre her“, konstatierte sie. „Was mag Christoph dazu bewogen haben, diese Zeitung aufzubewahren?“ Sie blätterte weiter und ganz plötzlich spürte sie einen eisigen Hauch in ihrem Nacken. Gänsehaut kroch ihr langsam die Arme hinauf. Die Kerze, die sie immer zur Teezeremonie auf den Tisch stellte, flackerte heftig und erlosch. Molly schaute wie hypnotisiert auf die aufgeschlagene Seite. Christoph hatte ihr aus dem Totenreich ein Zeichen gegeben. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Den Brief in ihrer Schürze jedoch hatte Molly ganz und gar vergessen.
„ F ingerabdrücke, jede Menge, aber die einzigen, die zurzeit zugeordnet werden konnten, sind die von Sebastian Witt. Außerdem DNA an den Zigaretten, nicht nur vom Opfer, auf jeden Fall weiblich. Auch Lippenstiftreste wurden festgestellt.“
Reiser hätte stundenlang Maikes Stimme lauschen können, auch wenn es sich hierbei nicht gerade um romantische Inhalte handelte.
Reiser konnte sein Glück gar nicht fassen. Er hatte Maike spontan angerufen und als Vorwand den vorläufigen Bericht der Rechtsmedizin des ersten Tatorts angegeben. Er war so froh, dass sie ihn nicht darauf hingewiesen hatte, dass Tom de Camp eigentlich dafür zuständig gewesen wäre, sondern dass sie ihm als Chefin der Rechtsmedizin Auskunft gab. War das ein Zeichen?
„Lippenstift? Kennst du die Marke?“ Reiser wollte das Gespräch so lange wie möglich ausdehnen.
„Allerdings, es handelt sich um eine sehr teure Marke. Ich könnte mir die nicht so ohne Weiteres leisten. Wer immer die Person ist, arm ist sie auf keinen Fall.“
„Wozu brauchst du auch Lippenstift.“ T r au dich endlich, du Feigling, frag sie noch mal. „Du bist auch ohne so was hübsch.“
Oh Gott, wie hört sich das denn an, bist du verrückt .
Reiser ärgerte sich, dass er sich so unbeholfen anstellte, doch zu seiner größten Überraschung erwiderte Maike:
„Danke, findest du?“
Er schluckte. Jetzt bloß nichts falsch machen.
„Das
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