Todesrennen
– West-Side-Ganoven, wie sie im Buche standen – versperrten den Gehsteig.
Sofort sah es für Eustace so aus, als stünde ihm ein Kampf bevor, den er jedoch höchstwahrscheinlich nicht gewinnen würde. Die Beine in die Hand zu nehmen erschien ihm als die bessere Idee. Er war groß und schlank und könnte sie wahrscheinlich in einer Staubwolke weit hinter sich lassen. Aber ehe er einen Schritt machen konnte, wichen sie auseinander und – zu seiner Verblüffung und seinem namenlosen Schrecken – ließen Springmesser aufschnappen.
»Der Boss will dich sehen«, sagte einer. »Kommst du freiwillig mit?«
Eustace blickte auf die Messer und nickte. »Worum geht es?«
»Wirst du schon erfahren.«
Sie nahmen ihn in die Mitte und führten ihn zwei Blocks weit zu einer Straße mit zahlreichen Saloons, wo sie ein nur schwach erleuchtetes Etablissement betraten und ihn durch den verrauchten Gastraum in ein Hinterzimmer geleiteten. Der Wirt des Saloons, ein massiger Mann mit Bowlerhut, Weste und Krawatte, saß hinter einem Schreibtisch. Darauf stand, erhitzt von einer Kerze, ein kleiner gusseiserner Topf, in dem Paraffin blubbernd köchelte. Der Geruch, der davon aufstieg, glich dem von verbranntem Rizinusöl, der aus dem Auspuff des Gnome-Motors zu dringen pflegte. Neben dem Topf waren ein kurzes Kupferrohr, ein mit Wasser gefüllter Krug mit schmalem Ausguss, ein Lederbeutel, ein wenig länger als das Kupferrohr, und ein bösartig aussehender Totschläger mit biegsamem Griff und einem dicken Kopfende aufgereiht.
»Schließt die Tür.«
Die Schlägertypen gehorchten und bauten sich rechts und links davon auf. Der Wirt winkte Eustace zu sich an den Schreibtisch. »Du heißt Eustace Weed. Deine Freundin ist Daisy Ramsey. Sie sieht gut aus. Möchtest du, dass es so bleibt?«
»Was wollen Sie …«
Der Wirt nahm den Totschläger hoch und ließ ihn zwischen den Fingern baumeln, so dass sein dickes Ende wie ein Uhrenpendel hin und her schwang. »Oder möchtest du von dem Luftrennen nach Hause zurückkehren und feststellen, dass ihr Gesicht zu Brei geschlagen wurde?«
In einem ersten Anflug von Panik glaubte Eustace, das Opfer einer Verwechslung zu sein. Sie dachten offenbar, dass er Wettschulden habe, was natürlich nicht zutraf, weil er niemals wettete, außer wenn er Pool spielte, und darin war er zu gut, um es als Wetten zu betrachten. Dann begriff er, dass es doch keine Verwechslung war. Sie wussten, dass er im Tross des Luftrennens arbeitete. Was bedeutete, dass sie ebenfalls wussten, dass er Zugang zu der Flugmaschine hatte, die dem Chefermittler der Van Dorn Agency gehörte. Und sie wussten von Daisy.
Eustace setzte zu einer Frage an. »Warum …« Er dachte, dass dieses Gespräch mit Harry Frost zu tun hatte, dem Verrückten, der Josephine töten wollte.
Ehe er die Frage beenden konnte, unterbrach ihn der Wirt mit seidenweicher Stimme. Seine Augen reflektierten das Licht, als wären sie so hart und glänzend wie Stahlkugeln. »Warum wir dir drohen? Weil du etwas für uns tun wirst. Wenn du es tust, wirst du nach Chicago zurückkehren und deine Freundin Daisy genauso vorfinden, wie du sie zurückgelassen hast. Ich verspreche dir, dass die Warnung heute noch rausgeht. Wenn sie jemand auch nur schief ansieht oder hinter ihr her pfeift, wird er hierhergebracht, um mir ein paar unbequeme Fragen zu beantworten. Wenn du nicht tust, was wir wollen, nun … du kannst ja raten, was dann passiert. Aber eigentlich brauchst du auch gar nicht zu raten. Ich habe es dir bereits gesagt. Verstanden?«
»Was wollen Sie?«
»Du sollst mir erklären, dass du verstanden hast, ehe wir dir erklären, was wir wollen.«
Eustace sah keinen anderen Ausweg aus dieser Sackgasse, als zu antworten: »Ich verstehe.«
»Dir sollte auch das klar sein: Wenn du dich an die Cops wenden solltest, weißt du nie, welche Cops unsere Cops sind.«
Eustace war in Chicago aufgewachsen. Er wusste über Cops und Gangster Bescheid, und er hatte die alten Geschichten über Harry Frost gehört. Er zeigte mit einem Kopfnicken, dass er auch dies verstanden habe. Der Saloonwirt hob fragend eine Augenbraue und wartete, bis Eustace laut wiederholte: »Ich verstehe.«
»Gut. Dann wirst du mit deiner Daisy glücklich bis ans Ende deiner Tage leben.«
»Wann werden Sie mir sagen, was Sie von mir wollen?«
»Jetzt gleich. Siehst du diesen Topf da?«
»Ja.«
»Siehst du auch, was darin kocht?«
»Es riecht wie Paraffin.«
»Genau das ist es. Es ist
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