Todesrennen
nicht an Josephines Flugmaschine – also seiner eigenen Flugmaschine – arbeiten zu können, um sie in optimaler technischer Verfassung zu halten. Josephine war zwar gut, aber nicht so gut. Er mochte ein truffatore, ein Betrüger, sein, aber eins musste man ihm lassen: dass er ein exzellenter Mechaniker war.
Celere wartete, bis die Maschinen bedeckt und am Boden verankert waren und er sicher sein konnte, dass Isaac Bell nicht zurückkam, nachdem er Josephine zu ihrem Privatwagen begleitet hatte. Dann rannte er durch den strömenden Regen dorthin, wo Eddison-Sydney-Martins kopflose Pusher parkte. Er tat so, als überprüfe er die Sicherungsseile, auch wenn nicht damit zu rechnen war, dass ihn jemand in dem dunklen Regendunst sehen konnte. Der Baronet und seine Mechaniker waren zu ihrem Begleitzug geflüchtet. Dies war eine günstige Gelegenheit, Unheil anzurichten. Aber er musste sich beeilen und etwas tun, womit niemand rechnete.
Donner rollte über die Rennbahn hinweg. Ein Blitz schlug ins Dach der Tribüne ein, und grüne Elmsfeuer tanzten die Regenrinnen entlang und die Stützpfeiler hinab. Der nächste Blitz schlug in der Mitte des Innenfelds ein, und Marco Celere erkannte die Weisheit von Bells Entscheidung, sich vor den Launen der Natur in Sicherheit zu bringen. Er rannte zum nächsten Unterstand, einem vorübergehend errichteten Holzschuppen, von dem aus die Flugmaschinen mit Benzin, Öl und Kühlwasser versorgt wurden.
Dort hatte vor ihm bereits jemand Schutz gesucht. Zu nahe dran, um umzukehren, erkannte er den Engländer Lionel Ruggs, Chefmechaniker des Baronets und Hauptgrund, weshalb er sich bisher von der kopflosen Pusher ferngehalten hatte, anstatt wie im Belmont Park abermals ein Loch in ihre Tragflächenverankerung zu bohren.
»Was machen Sie mit der Maschine des Chefs?«
»Ich überprüfe die Schnüre.«
»Mit den Schnüren halten Sie sich aber schon ziemlich lange auf.«
Celere senkte den Kopf, als wäre ihm dieser Auftritt peinlich. »Okay, Sie haben mich erwischt. Ich habe mir die Konkurrenz angesehen.«
»Nur angesehen, oder haben Sie auch etwas getan?«, fragte Ruggs kühl.
»Getan? Was sollte ich getan haben?«
Lionel Ruggs trat dicht an ihn heran. Er war größer als Celere und breiter gebaut. Fragend blickte er in Celeres Augen. Dann verzog sich sein Mund zu einem freudlosen Lächeln.
»Jimmy Quick. Hab ich mir gleich gedacht, dass du dich hinter diesen Locken versteckst.«
Marco Celere wusste, dass er nicht leugnen konnte. Ruggs hatte ihn entlarvt. Es lag fünfzehn Jahre zurück, aber sie hatten vom vierzehnten bis zum achtzehnten Lebensjahr in derselben Maschinenbauwerkstatt nebeneinander gearbeitet und sich im Haus des Eigentümers ein Zimmer unterm Dach geteilt. Celere hatte schon die ganze Zeit befürchtet, dass er früher oder später mit seiner Vergangenheit konfrontiert werden würde. Wie viele Flugmaschinenmechaniker gab es schon in dieser kleinen, überschaubaren Welt der noch jungen Luftfahrt?
Jimmy Quick war sein englischer Spitzname gewesen, eine freundliche Verballhornung des Namens Prestogiacomo, den die Engländer nur mühsam aussprechen konnten. Er hatte Ruggs von weitem erkannt und war ihm stets aus dem Weg gegangen. Jetzt stand er ihm mitten in einem Gewitter fast auf Tuchfühlung gegenüber.
»Was soll denn diese russische Verkleidung?«, wollte Ruggs wissen. »Ich wette, du hast wieder was gestohlen – wie damals in Birmingham. Sich an die Tochter des alten Mannes heranzumachen ist die eine Sache – dafür bekamst du mehr Einfluss –, aber die Konstruktionspläne seiner Werkzeugmaschine zu stehlen, an der er sein ganzes Leben lang gearbeitet hat, das war mies. Dieser alte Mann hat uns immer gut behandelt.«
Celere blickte sich sichernd um. Sie waren allein. Niemand hielt sich in der Nähe des Schuppens auf. Er sagte: »Der Traum des alten Mannes hat nicht richtig funktioniert. Es war ein Reinfall.«
Ruggs lief rot an. »Ein Reinfall, weil du ihn gestohlen hast, ehe er ihn perfektioniert hatte … Bist du es etwa auch gewesen, der unsere Tragflächenverankerung angebohrt hat?«
»Ich nicht.«
»Ich glaube dir nicht, Jimmy.«
»Mir ist es egal, ob du mir glaubst oder nicht.«
Lionel Ruggs schlug sich vor die Brust. »Mir ist es aber nicht egal. Der Chef ist ein guter Mann. Er mag Aristokrat sein, aber er ist ein anständiger Kerl, und er verdient es zu gewinnen, anständig und ehrlich. Er verdient es jedenfalls nicht, bei einem Absturz zu sterben,
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