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Todesrennen

Todesrennen

Titel: Todesrennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cussler
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Indem er sich an den Wurzelsträngen festhielt, die teilweise auf Grund starker Erosion frei lagen, ließ er sich auf den Vorsprung hinab und sah sich um. Kein verrostetes Gewehr. Kein Fernglas. Er blickte über die Kante. Bis zum Wasser, das auf dem Grund der Schlucht matt funkelte, war es ein verdammt langer Weg.
    Er zog sich wieder zur Wiese hinauf. Während er sich aufrichtete und sich am Baumstamm abstützte, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, ertastete er ein Loch in der Rinde. Er sah genauer hin. »Constable Hodge? Können Sie mir mal kurz Ihr Jagdmesser leihen?«
    Aus einer Scheide zog Hodge eine breite Klinge, die mit einer Stahlfeile geschärft worden war. »Was haben Sie da?«
    »Eine Kugel, die im Baumstamm steckt, vermute ich.« Bell stocherte mit dem Messer rund um das Loch in der Baumrinde herum. Er schnitzte eine Öffnung, die groß genug war, um einen weichen Bleiklumpen herauszuholen. Dazu benutzte er die Finger, um das Blei nicht mit der Messerspitze zu zerkratzen.
    »Wo zum Teufel kommt die denn her?«
    »Vielleicht aus Frosts Gewehr.«
    »Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Das werden Sie nie erfahren.«
    »Vielleicht doch«, sagte Bell und erinnerte sich an ein Gerichtsverfahren unter Vorsitz von Oliver Wendell Holmes, jr., in dessen Verlauf eine Patronenkugel dem Gewehr zugeordnet werden konnte, aus dem sie abgefeuert worden war. »Haben Sie das Gewehr noch, das die Jungen auf dem Bahngleis gefunden haben?«
    »In meinem Büro. Ich hätte es Mrs. Frost zurückgegeben, aber sie war bereits abgereist. Mr. Frost war natürlich schon lange weg. Und falls sich da draußen auf dem Anwesen noch jemand aufhalten sollte, wäre das niemand, dem ich ein so schönes Gewehr geben würde.«
    Sie kehrten nach North River zurück. Hodge half Bell in der Bahnstation bei der Suche nach einem Ballen Verpackungsmaterial aus Baumwolle. Sie stellten ihn schließlich in einem freien Teil des Güterbahnhofs auf. Bell befestigte seine Visitenkarte in der Mitte des Ballens und ging einhundertfünfzig Schritte weit von ihm weg. Dann lud er zwei .45-70er-Patronen in Frosts Marlin, visierte durchs Zielfernrohr die Karte an und drückte ab.
    Die Kugel verfehlte die Karte, verfehlte sogar den Ballen und streifte mit einem metallischen Klirren einen eisernen Signalmast, der dahinter aufragte.
    Constable Hodge sah Isaac Bell mitleidig an. »Ich hatte natürlich angenommen, dass sich ein Privatdetektiv der Van-Dorn-Agentur im Umgang mit Feuerwaffen auskennt. Möchten Sie, dass ich für Sie schieße?«
    »Das Zielfernrohr ist verstellt.«
    »Das kann passieren«, sagte Constable Hodge zweifelnd. »Manchmal.«
    »Es könnte passiert sein, als das Gewehr auf die Gleise fiel.«
    Bell richtete es auf den Fleck, den die Kugel auf dem Eisenmast hinterlassen hatte, und schätzte die Entfernung zur Visitenkarte. Er hebelte die leere Patronenhülse aus der Kammer, wodurch eine frische Patrone nachgeschoben wurde, und betätigte dann den Abzug. Seine Visitenkarte wurde von dem Baumwollballen weggerissen und flatterte durch die Luft.
    »Jetzt bekommen Sie ein Gefühl dafür«, sagte Hodge. »Wenn Sie so weitermachen, kann noch ein ganz passabler Schütze aus Ihnen werden, junger Freund.«
    Bell pulte die Kugel aus dem Baumwollballen und wickelte sie zusammen mit der Kugel, die er aus dem Baumstamm geschnitten hatte, in ein Taschentuch. Danach begab er sich zum Postbüro und adressierte die Kugeln an das kriminaltechnische Van-Dorn-Labor in Chicago, mit der Bitte, mittels einer mikroskopischen Untersuchung festzustellen, ob das Projektil, das er probeweise abgefeuert hatte, die gleichen vom Gewehrlauf verursachten Riefen aufwies wie die Kugel aus dem Baum.
    »Wohnt jetzt noch jemand auf Frosts Anwesen da draußen?«, wollte er von Hodge wissen.
    »Niemand, der für Sie von Interesse wäre. Die Molkerei ist das Einzige, was dort noch in Betrieb ist. Sie schicken die Milch in die Stadt, wo sie verkauft wird. Koch, Hausmädchen, Butler, Gärtner und Torwächter haben ihre Zelte abgebrochen, als Mrs. Frost abgereist ist.«
    Bell lieh sich im Mietstall ein Ford-Automobil, ließ sich den Weg beschreiben und fuhr mehrere Meilen weit hinaus zum Frost-Camp. Das Erste, was er zu Gesicht bekam, war das Torhaus, ein aufwendiger Bau aus Findlingen und einem Gitterwerk massiver Holzbalken mit Steildach, der den Begriff »Camp« Lügen strafte, eine in den Adirondacks übliche Art der Verniedlichung ähnlich der in Newport gängigen Praxis,

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