Todesrennen
er konnte nicht schießen. Jetzt war ihm Josephine im Weg.
Frost wirbelte herum und flüchtete.
Bell wollte ihn verfolgen. Als er jedoch über den Körper seines gestürzten Freundes hinwegsetzen wollte, sah er hellrotes Blut aus Archies Jacke dringen. Ohne zu zögern, ging er sofort neben ihm auf die Knie.
»Sanitäter!«, rief er. »Sanitäter! Einen Arzt!«
Bell knöpfte Archies Jacke und Oberhemd auf und zog ein rasiermesserscharfes Wurfmesser aus seinem Stiefel, um Archies Unterhemd aufzuschneiden. Luftbläschen drangen aus einer Wunde. Bell sah sich um. Die Leute gafften. Nur ein Augenpaar blickte kühl und schien bereit zu helfen.
»Josephine!«
Er reichte ihr das Messer.
»Schnell. Schneiden Sie mir ein Stück von der Tragflächenbespannung ab. Etwa so groß.«
Er zeigte mit beiden Händen, was er sich vorstellte.
»Einen Arzt!«, brüllte Bell die Gaffer an. »Bewegt euch doch, Männer! Holt einen Doktor!«
Josephine kam schon nach ein paar Sekunden mit einem säuberlich zurechtgeschnittenen quadratischen Stück gelben Stoffs zurück.
Isaac Bell legte den Stoff auf die Wunde und drückte drei Seiten des quadratischen Verbands fest auf Archies Haut. Während sich Archies Brust hob und senkte, ließ Bell Luft zwar aus der Wunde heraus-, aber nicht mehr durch die Wunde eindringen.
»Josephine!«
»Ich bin hier.«
»Ich brauche Stoff, um dies festzubinden.«
Ohne zu zögern, zog sie ihre schwere Fliegerkombination und danach auch ihre Bluse aus, die sie in lange Streifen riss.
»Helfen Sie mir, das unter ihm durchzuziehen.«
Bell rollte Archie auf die Seite, wo sich die Wunde befand, während Josephine die Bänder unter seinen Körper schob. Bell verknotete die Enden miteinander.
»Halten Sie diese Tücher fest, um ihn warm zu halten. Einen Doktor! «
Endlich kam ein Arzt angerannt. Er setzte seine Tasche unsanft auf dem Boden ab, kniete sich neben Archie hin und fühlte ihm den Puls. »Gute Arbeit«, sagte er nach einem Blick auf den Verband. »Sind Sie Arzt?«
»Ich habe mal zugesehen, wie so etwas gemacht wird«, antwortete Bell knapp. An meiner eigenen Brust, hätte er hinzufügen können, als ich zweiundzwanzig Jahre alt war. Damals war es Joseph Van Dorn gewesen, der versuchte, das Leben seines Lehrlings zu retten, während Tränen in seinem Backenbart versickerten.
»Woher hat er das Loch?«
»Hohlspitzgeschoss, Kaliber .455.«
Der Arzt sah Bell an. »Ist er ein Freund?«
»Mein bester.«
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, mein Sohn. Es hat seine Gründe, dass man diese Kugeln Mannstopper nennt.«
»Wir brauchen einen Krankenwagen.«
»Es ist schon einer unterwegs. Der englische Flieger hat ihn nicht gebraucht.«
Innerhalb von Minuten war Archie in den Ambulanzwagen geladen worden und in Begleitung von zwei Ärzten unterwegs zum Krankenhaus. Mittlerweile hatten sich die Van Dorns neu formiert und bildeten einen soliden Schutzwall um Josephine herum.
Harry Frost war in dem Durcheinander entkommen.
Bell organisierte sofort eine Fahndung, die auch eine Warnung an alle Krankenhäuser in der Umgebung einschloss.
»In seinem Köper stecken mindestens drei Kugeln«, sagte er. »Vielleicht sogar fünf. Und Archie hat ihm den Unterkiefer gebrochen.«
»Ich habe zwei Leute aus seiner Truppe geschnappt, Isaac. Schläger aus Brooklyn. Einen habe ich sogar erkannt. Er arbeitet für Rod Sweets, den Opiumkönig. Was machen wir mit ihnen?«
»Sehen Sie zu, was Sie aus ihnen herausholen können, ehe Sie die Kerle den Cops übergeben.« Bell hatte keinen Zweifel, dass sich Archie mit der örtlichen Polizei angefreundet hatte, ehe er seinen Posten auf der Rennbahn bezogen hatte. Es war die übliche Praxis, sich ein wenig einzuschmeicheln und festzustellen, wem man etwas Gutes tun sollte, falls einmal der Notfall eintrat und man dringend Freunde brauchte.
»Sie haben schon ein bisschen gesungen. Frost hat jedem einhundert Bucks gezahlt. Er gab ihnen das Geld im Voraus, damit sie es bei ihren Freundinnen deponieren konnten für den Fall, dass sie geschnappt würden.«
»Okay. Ich bezweifle zwar, dass sie uns etwas Nützliches über Frost liefern können. Aber sehen Sie trotzdem zu, was Sie in Erfahrung bringen. Übergeben Sie die Kerle danach der Polizei. Erklären Sie, dass Van Dorn gegen sie Anzeige erstattet. Liefern Sie den Cops einen Grund, sie festzuhalten.«
Bell sprach kurz mit Josephine, um sich zu vergewissern, dass sie sich sicher fühlte, und um ihr noch einmal
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