Todesriff

„Wer sagt’s denn? Unsere lieben Kollegen sind zuverlässig.“ Sie lächelte zufrieden. „ Andrew Barber war am zehnten Oktober vergangenen Jahres im Spielcasino in Surfer’s Paradise.”
    „Wir müssen herauskriegen, wo und wann sich der echte Andrew Barber in den falschen verwandelt hat“, sagte Shane gerade als Tamara eine weitere Meldung bekam: An der Messerklinge waren tatsächlich Blutspuren. Eine DNA-Analyse würde nähere Informationen bringen.
    „Wir kriegen ihn schon noch!“, sagte Tamara kampflustig. Das gefiel ihm. Schließlich meldete sich auch noch Steve Himmelreich vom BCI. Und das, was er schrieb, gab den Ermittlungen eine neue Richtung.

    Hi, Shane, hier ein paar Informationen:
    Was hältst du von SKANDERBEG als Unterschrift unter dem Doppeladler?
    Skanderbeg - hieß eigentlich Gjergj Kastriota, vierzehnhundertdrei geboren, vierzehnhundertachtundsechzig in Alessio gestorben. Albanischer Feldherr und Nationalheld. Als Zwanzigjähriger kam Skanderbeg als Geisel an den Sultanshof in Adrianopel, wo er militärisch ausgebildet wurde und zum Islam übertrat. Doch zwanzig Jahre später floh er, wandte sich gegen die Osmanen, schlug sie in der Schlacht am Schwarzen Drin. Aber der Sieg war nicht nachhaltig. Nach Skanderbegs Tod wurde Albanien schließlich doch osmanisch. Sein Freiheitskampf wird in albanischen Heldenliedern gefeiert. Im zweiten Weltkrieg nannte sich übrigens eine albanische SS-Division SKANDERBEG. Sie verübte Verbrechen an der serbischen Zivilbevölkerung.
    Ska nderbeg - Nationalheld oder Verräter -, immerhin hat er zwanzig Jahre lang die Ausbildung der Osmanen genossen, um sich dann gegen sie zu wenden. Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille.
    Gruß S.H.
    P.S.: Ich durchforste unsere Datei nach Kosovo-Albanern.

    Shane las Himmelreichs Mail ein zweites Mal, dann druckte er sie aus und legte sie wortlos Tamara auf den Schreibtisch.
    „ Kosovo-Albaner. Skanderbeg. SS”, sagte sie nachdenklich. “Der Zweite Weltkrieg ist seit siebzig vorbei, und die SS gibt es nicht mehr!”
    Ohne einen Kommentar war Shane aufgesprungen und zur Tür geeilt. Wenige Minuten später stürmte er in Dereks Büro. „ Shane! Was zum Teufel ...” Derek kaute.
    „ Zeig mir noch mal das Foto mit dieser Soldatin. Du weißt schon, das, was wir bei Barber gefunden haben.”
    „ Ich weiß, was du wissen willst, aber dieses Abzeichen da auf ihrem Ärmel kann ich einfach nicht näher heranzoomen. Tut mir Leid.” Derek lud wieder das Bild im Rechner, und Shane kniff die Augen zusammen. Er versuchte, die Punkte, in die sich das Bild in dieser Vergrößerung aufgelöst hatte, sinnvoll zusammenzusetzen.
    „ Es könnte ein Doppeladler sein, oder?”, meinte er dann.
    „ Du denkst an die UCK in Ex-Jugoslawien?” Derek schnalzte mit der Zunge
.
„ Es könnte aber genauso gut der Bundesadler eines Staates sein oder ein sich verzweigender Baum oder zwei wehende Flaggen oder weiß der Himmel wa s!” Derek schüttelte den Kopf. „ Sorry, Shane, so gern ich dir Recht geben würde, ich ...”
    „ Schon gut, Derek.” Manchmal überfiel ihn einfach der Drang, den Lauf der Dinge zu beschleunigen, ihnen einen Schubs zu geben, damit sie ihn endlich zum Ende des Rätsels führen würden. Tamara sah ihn erwartungsvoll an, als er sich in ihrem Büro wieder in seinen Sessel fallen ließ. „Nichts“, sagte er misslaunig. „Haben wir endlich diesen John Palmer hier?“
    „Palmer ist nicht auffindbar“, sagte Ta mara. „Unsere Leute haben gerade angerufen. Er ist weder zu Hause noch auf der Werft und an sein Telefon geht er auch nicht.“
    Shane trommelte auf die Schreibtischplatte.
    „ Wieder einer, der sich aus dem Staub gemacht hat! Wir können Amann nicht ewig festhalten!“
    „Holen wir Green, den Portier!“, schlug Tamara vor.
    Um vier unterrichteten sie Al
über die Neuigkeiten des Tages.
    „ Die UCK? Diese Rebellen in Jugoslawien?” Al
nahm
die
Ellbogen vom Schreibtisch und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück
. „ Aber was zum Teufel machen die bei uns in Australien?”
    „ Die UCK oder eine ähnliche Gruppierung, die sich Skanderbeg nennt. Womöglich Kosovo-Albaner”, berichtigte Tamara mit einem leicht belehrenden Unterton.
    „ Die UCK ...”, wiederholte Al, ohne ihren Einwurf zu beachten.
    „ Die Opfer sind
vielleicht
aus gestiegen”, fügte Shane hinzu, „ sonst hätten sie sich die Tätowierung nicht entfernen lassen.”
    Al s chüttelte den Kopf. „ Das gefällt mir gar nicht, was