Todesritual: Thriller (German Edition)
athletisch und sehr stark aus. Und er war wütend – so wütend, dass seine großen Hände zitterten.
Der Barmann drehte die Musik ein wenig lauter.
Die Frau war weg. Sie hatte ihre Handtasche fallen lassen – schwarzes Leder mit goldener Schnalle. Als Max’ Blick darauf fiel, schob der Mann sie mit einem Fußtritt in seine Richtung und sagte mit gekräuselten Lippen etwas Unhörbares. Max vermutete, dass er seine Männlichkeit beleidigt hatte. Es war ihm egal.
Der Mann zog ein Rasiermesser aus der Tasche und klappte es auf. Die Klinge war sehr lang, die längste, die Max je gesehen hatte, man hätte ein Pferd damit rasieren können. Max straffte sich und trat ein paar Schritte vom Tresen weg, sein Herz raste.
Der Mann sagte noch etwas, seine Lippen bewegten sich zum Refrain von »Skin Trade«, es sah lächerlich aus, wie er mit seinem gemeingefährlichen Rasiermesser in der Hand dastand und die Lippen zu einem Lied bewegte, das von drei heftig geschminkten Briten gesungen wurde.
Dann war der Song vorbei und fing wieder von vorn an. Der Mann zuckte mit den Schultern und ging aus der Kneipe. In der Tür blieb er stehen und blickte die Straße hoch und hinunter. Dann ging er eilig nach links.
Max dachte nicht einmal darüber nach, was zu tun sei.
Er folgte dem Mann.
Draußen standen die Leute immer noch neben dem Wagen und unterhielten sich, als wäre nichts passiert. Von dem Mann oder der Frau nichts zu sehen.
Max rannte los.
Die Straße war leer. Nach rechts und links gingen kleine Seitenstraßen ab. Er schaute in jede hinein.
Er hörte nichts.
Er lief weiter.
Die Straße wurde etwas steiler.
Noch mehr Seitenstraßen.
Plötzlich ein gellender Schrei von hinten, zu seiner Rechten.
Dann noch einer, praktisch direkt danach: ein schriller, qualvoller Schmerzensschrei.
Max wirbelte herum und lief auf die Schreie zu.
Noch einer – schlimmer – lauter und näher.
Und anhaltend.
Die Stimme eines Mannes, er brüllte.
Jemand rannte.
Dann sah er sie, sie kam auf ihn zu. Blut vorn auf dem Kleid. Blut auf den Beinen und an den Händen, Blut im Gesicht.
Direkt hinter ihr der Mann in Jeans, er verfolgte sie. Auch er war mit Blut beschmiert – Blut an den Händen und auf dem Hemd, Blut auf dem Rasiermesser.
»Ven aquí!«, brüllte er.
Die Frau rannte zu Max und ging hinter ihm in Deckung.
Jetzt stand Max ihrem Peiniger gegenüber.
»Que te den por el culo!«, schnauzte der Mann atemlos und schweißüberströmt. »Comprendes, cabrón?« Er schnipste mit den Fingern und bedeutete Max zu verschwinden.
Die Frau wimmerte.
»Por favor … quiere matarme«, jammerte sie. »Por favor, señor.«
Max lieferte sich ein Blickduell mit dem Kerl.
Der Mann starrte unverwandt zurück.
Max’ Körpersprache sagte: Ich beweg mich nicht vom Fleck.
Der Gesichtsausdruck des Mannes sagte: Das werden wir ja sehen.
Dann griff der Kubaner an. Ein ausladender Schwung auf Höhe von Max’ Kehle, die Klinge durchschnitt die Luft mit einem Zischen. Max wich zurück und stieß dabei die Frau um. Die Klinge verfehlte sein Gesicht nur um Haaresbreite.
Der Kerl hatte das Gleichgewicht verloren. Max reagierte schnell. Er schmetterte dem Kubaner einen wilden rechten Haken aufs Kinn. Er traf. Knochen knackten, und Zähne splitterten.
Der Kerl ging mit einem dumpfen Aufprall zu Boden.
Mit dem Fuß trat Max die Klinge beiseite und untersuchte den Mann, der nicht ganz ausgeknockt war. Er war benommen, aber nicht so sehr, dass er das Bewusstsein verlor. Normalerweise wäre die Sache damit erledigt gewesen, dass sich sein Gegner in einer Welt schlimmer, aber nicht irreversibler Schmerzen wiederfand. Aber dieses Stück Scheiße hatte nicht nur soeben eine Frau geschlagen, er hatte sie mit dem Messer bearbeitet, sie entstellt. Er hatte Schlimmeres verdient.
Max drehte sich zu der Frau um. Sie war wieder auf den Beinen, hangelte sich an ihm vorbei und fing an, auf den am Boden Liegenden einzutreten.
Max packte sie und zog sie weg, sie trat mit ihren schlanken langen Beinen in die leere Luft, ihre Schuhe flogen davon.
Sie befreite sich und drehte sich zu Max um, konnte ihn aber nicht sehen, weil ihr das Haar ins Gesicht hing. Sie hob die Hände, grub die Finger tief in ihre Haare, packte fest zu und riss sie sich vom Kopf. Dann ließ sie die Arme hängen, und ihre langen Locken baumelten herab wie ein geteertes Schlangennest.
Unter der Perücke war ihr Haar kurz geschoren, hinten und an den Seiten anrasiert, oben etwas länger,
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