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Todesritual: Thriller (German Edition)

Todesritual: Thriller (German Edition)

Titel: Todesritual: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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ein Militärschnitt. Und auch mit ihrem Gesicht stimmte etwas nicht, fand Max – und das lag nicht nur an dem blutigen Grinsen, das das Rasiermesser ihr vom Mundwinkel über die ganze Wange gezogen hatte, sondern es war ihr ganzes Aussehen so von Nahem, so im Licht.
    Sie war ein Mann.
    Max konnte es sich nicht verkneifen: »Was zum Teufel …?«
    »Ja, was denn zum Teufel ?«, fauchte der Transvestit. »Enttäuscht? Ja?«
    »Nein. Nein! Nur … nur … überrascht«, sagte er.
    »Und du dachtest, du bist großer heroe americano , ja? Der rettet das Fräulein in Not. Und wenn du mich siehst, du denkst, was zum Teufel habe ich gemacht? Ja? Das denkst du jetzt, ja?« Die Tonhöhe des Transvestiten war um mehrere Oktaven gesunken.
    »Nein, so ist es nicht. Ich meine, ich … ich habe nichts gegen … gegen Leute wie Sie.«
    »Leute wie mich?« Empört trat er näher, um auf Max herabzuschauen. Er war ein großer Mann, selbst ohne Absätze. »Ist nicht mein Glückstag, wie? Muss ich von einem verdammten amerikanischen Heuchler gerettet werden.«
    »So habe ich das nicht gemeint. Ich … ich … Hören Sie … ich habe das falsch ausgedrückt. Es tut mir leid, okay?«
    Der Transvestit verzog die Lippen und zuckte jammernd zusammen, weil dieser Ausdruck der Verachtung seine Wunde schmerzen ließ.
    »Und das Stück Scheiße? Lebt der noch?« Er deutete auf den Mann am Boden.
    »Ja«, sagte Max.
    Der Transvestit machte einen Schritt, um ihm gegen den Kopf zu treten.
    »Hey!« Max packte ihn beim Arm.
    »Der wollte mich umbringen! Siehst du, was er gemacht hat mit meine Gesicht!«
    »Ganz ruhig, ja? Ganz ruhig. Tranquilo, sí? Sie … Sie müssen ins Krankenhaus.«
    »Krankenhaus? Das geht nicht.«
    »Aber Sie bluten stark.«
    »Hast du Auto?«
    »Nein. Nehmen Sie doch ein Taxi.«
    »Taxi? Die sehen mich und fahren weiter. Wenn du dabei bist, nehmen sie mich mit.«
    Max wollte weg, zurück ins Hotel, die Geschichte vergessen. Er hatte seine gute Tat getan. Er hatte dem Kerl das Leben gerettet. Reichte das nicht? Warum zum Teufel war er überhaupt in diese bescheuerte Kneipe gegangen? Warum hatte er nicht einfach auf die Straße gepinkelt? Er wollte das alles nicht. Er wollte nicht einmal hier sein. Aber er konnte den Mann auch nicht blutend auf der Straße stehen lassen.
    Er schaute zum Malecón hinunter, auf dem Autos unterwegs waren.
    »Okay, gut«, sagte er.
    »Vamos.«
    35
    Im Krankenhaus sah Max zu, wie eine Ärztin dem Transvestiten das Gesicht flickte.
    Der Mann hieß Benedicto Pacífico Juan María Ramírez – kurz Benny. Im Taxi hatte er noch darauf bestanden, Salma genannt zu werden, nach der mexikanischen Schauspielerin Salma Hayek.
    Benny schrie und weinte, während Frau Doktor mit dicken blauen Küchenhandschuhen in aller Ruhe den Schnitt in seiner Wange nähte: die Nadel einstach, den Faden durchzog, wieder einstach und das blutige Fleisch fest zusammenzog. Keine Betäubung, keine Schmerzmittel, nur eine Jodtinktur zum Desinfizieren und hochprozentigen Rum durch einen Strohhalm, um die Schmerzen etwas zu lindern, eine Flamme, um die Nadel zu sterilisieren, und eine Schüssel mit heißem Wasser zum Saubermachen. Medizin wie im Wilden Westen. Die Ärztin versuchte Benny mit sanften Worten und Gute-Nacht-Stimme zu beruhigen, aber derartige Schmerzen lassen sich nicht kleinreden, und so brüllte sie ihn an, stillzuhalten, wenn sein Geschrei ihre Arbeit zunichtezumachen drohte. Max hatte ein wenig Mitleid mit ihm. Er kannte die Qualen, die Benny durchmachte. Er hatte das Gleiche durchlebt, vor vielen Jahren.
    Genau wie diese Station war das ganze Krankenhaus in einem erbarmungswürdigen Zustand. Schon als sie vor dem Gebäude angehalten hatten, ahnte Max, was ihn erwartete. Es war ein modernes Gebäude, aber nur zu drei Vierteln fertiggestellt, die Wände waren nicht gestrichen, in einigen Fenstern fehlten die Scheiben, vor sämtlichen Stockwerken hing draußen Wäsche zum Trocknen. Der Eingang war halb von einem Muldenkipper blockiert, auf dem sich stinkende Müllbeutel türmten, drum herum hatte sich, wie ein Festungsgraben, eine riesengroße, stille Pfütze gebildet. Auf dem Weg herein waren sie hinter einer Frau hergetrottet, die einen Mann in einer Schubkarre transportierte, sein Arm hing schlaff über die Seite, seine Fingerspitzen strichen über den Fußboden. Der Krankenschwester am Empfang erklärte sie, es handle sich um ihren Vater, der sich bei einem Sturz beide Beine gebrochen habe, und der Krankenwagen

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