Todesritual: Thriller (German Edition)
sämtliche Wände mit Pornofotos tapeziert gewesen. Im Gefängnis wichsten alle. Das war das Einzige, was sie verband, abgesehen von der Tatsache, dass sie alle ihr Leben versaut hatten. Masturbation war die große Gleichmacherin. Schwarze, Weiße, Latinos, Asiaten, Lebenslängliche, Kurzzeiter, große Macker und ihre Nutten. Alle taten es. Sein Zellenkollege Velasquez hatte eine richtige Inszenierung daraus gemacht. Er hatte sich die Fingernägel der linken Hand wachsen lassen und rot lackiert und setzte sich ab und an für eine gute Stunde drauf, bis sie komplett taub geworden war. Dann holte er sich damit einen runter. Wenn er die Augen schloss, erklärte er, fühle es sich fast so an, als würde seine mamacita Melyssa es ihm machen. Dabei war sie bei der Handarbeit die Schlechteste in ganz Harlem, sagte er. Trotzdem weinte er jedes Mal, wenn er fertig war. Traurige Geschichte.
Als der Film anfing, wurde Max klar, dass er gerade zum ersten Mal seit seiner Entlassung an Velasquez gedacht hatte. Sie hatten mehr als sieben Jahre lang jeden Tag miteinander verbracht. Er hatte ihn sogar gemocht, sosehr er sich im Knast eben erlaubt hatte, jemanden zu mögen. Velasquez war in mehrfacher Hinsicht eine Nervensäge gewesen, aber es hatte ihn nicht gekümmert, dass Max früher Bulle gewesen war. Max fragte sich, was er wohl gerade tat. Wahrscheinlich saß er wieder hinter Gittern und wichste.
Der Film begann mit der wackeligen Aufnahme einer Maschine der American Airlines im Landeanflug auf Miami International . Dabei schienen immer wieder Sonnenflecken auf, als wäre die Sequenz mit dem Handy aufgenommen worden. Dann wurde der Bildschirm kurz schwarz. Ein greller Blitz und ein verzerrtes Geräusch – ein kurzes, tiefes Stöhnen, als ob ein Tonband mit Bassmusik gefressen wird. Dann wieder das gleiche Bild wie vorher, und er hörte das unverwechselbare Knistern einer Nadel auf Vinyl. Als die Räder des Flugzeugs die Rollbahn berührten, setzte die Musik ein. Mittelschnelles Rockgedröhne aus den Achtzigern – jedes einzelne Instrument viel zu laut aufgedreht, hallende elektronische Drums und Gitarren, die jaulten wie schreiende Katzen –, und Erinnerungen an Musikvideos kamen hoch, in denen Grimassen schneidende Männer Vokuhilas wie Davy Crockett und Dreitagebärte à la Sonny Crockett trugen. Für Max hätte die Musik besser zu einem Action-Film aus jener Zeit mit Dolph Lundgren oder einem anderen analphabetischen Muskelprotz gepasst. Doch dann drang durch den Synthesizer-Rock plötzlich mit verruchtem Tuten ein Saxophon und lieferte einen ersten Hinweis aufs Genre.
Was hatte es nur auf sich mit dem Sax und dem Sex im Film? Da musste doch mehr dahinterstecken als nur ein ähnlicher Vokal.
Auf dem Bildschirm spazierte die Frau, die er als Fabiana Prescott kannte, auf hochhackigen Schuhen und im hautengen weißen Anzug, mit großer Sonnenbrille und breitkrempigem schwarzem Schlapphut mit weißen Pünktchen auf dem Hutband, aus der Ankunftshalle. Ohne Koffer. Die Kamera zoomte Fabianas pneumatische Titten und ihren runden Hintern heran. Sie trat auf den Chauffeur zu, der mit Kappe und schwarzem Anzug am Ausgang stand.
Es usted mi chófer?
Yes, Ma’m. Ich habe ein großes Auto.
Die nächsten zehn Minuten lieferten ein Medley aus Miami-typischen Ansichten, damit man auch wusste, wo man war (Palmen, Strand, Frauen am Strand, Frauen unter Palmen), zwischendurch Aufnahmen eines Lincoln Town Car von vorn und von der Seite sowie aus dem Inneren des Wagens, wo Fabiana und der Fahrer vielsagende Blicke tauschten. Zahllose Zooms in Fabianas Dekolleté, Nahaufnahmen von ihren verheißungsvollen Blicken und ihrer Zunge, mit der sie sich über die kollagengespritzten Lippen fuhr. Der Chauffeur zog die Augenbrauen hoch und lockerte die Krawatte, während er das Auto zu fahren vorgab, das aber offensichtlich vor einem Supermarkt parkte. Für eine Computeranimation hatte das Budget wohl nicht gereicht, vermutete Max.
Am Ende der Sequenz hielt die Limousine vor dem Tides auf dem Ocean Drive. Fabiana stieg aus und ging die Stufen hinauf. Oben drehte sie sich um und zwinkerte dem Chauffeur, der am Wagen lehnte, vielsagend zu. Max musste lächeln. Sämtliche Filmsequenzen, die in Miami in einem Hotel spielten und in denen mindestens eine reiche oder vornehme Figur vorkam, wurden im Tides gedreht.
Dann erschien das Paar auf bekanntem Terrain: Zimmer 30 des Zürich. Max kannte Tonfall und Intonation von Fabianas Redebeiträgen
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