Todesritual: Thriller (German Edition)
tot.«
» Qué triste .« Sie zog die Mundwinkel nach unten und sah aus, als wollte sie in Tränen ausbrechen.
»Ist schon lange her.«
»Aber du immer noch traurig?«
»Ich weine jeden Tag«, sagte er trocken.
»Du sollst nicht weinen.« Sie tätschelte ihm den Unterarm und ließ ihre pummelige Hand einen Moment lang dort liegen, bevor sie sie mit einem sanften Streicheln zurückzog. »Weinen nicht gut.«
Sie tauschte einen Blick mit dem Barmann. Der zog die Augenbrauen hoch, sie antwortete mit einem kaum wahrnehmbaren Achselzucken.
»Du hier mit Freundin?«
»Nein.«
»Du haben Freundin?«
»Nein.«
»Du in Cuba Freundin suchen?«
Max schüttelte den Kopf. Im Spiegel konnte er die ganze Bar sehen. Fast alle anwesenden Männer waren mittleren Alters und weiß und befanden sich in verschiedenen Stadien des körperlichen Verfalls. Viele sahen aus wie er: kahlköpfig und stämmig. An ihrer Seite, teilweise zu zweit, kubanische Frauen. Sie waren umwerfend schön, gut gekleidet und sehr viel jünger als ihre Begleiter. Manche noch keine zwanzig. Einigen Paaren war anzusehen, dass sie schon seit ein bis zwei Wochen zusammen waren: Die Männer waren braun gebrannt, und sie sprachen kaum miteinander, jeder lebte in seinem eigenen Universum, beide hielten Ausschau nach jemand Besserem. Überwacht wurde dieser Fleischmarkt von mehreren hoteleigenen Wachmännern mit dichten schwarzen Schnauzbärten und locker sitzenden blauen Blazern, unter denen sie ihre Bäuche und ihre Waffen versteckten. Einer stand in der Ecke zu Max’ Linken und behielt den Barmann im Auge. Max vermutete, dass sie die Nutten hier laufen ließen und aufpassten, wer mit wem aufs Zimmer ging.
»Wie lange bleiben in Kuba?«
»Zwei Wochen.«
»Lange Zeit! Du kannst treffen Freundin.«
»Ich will keine Freundin.«
»Nicht für Liebe und für heiraten. Nicht für Ernst. Nur für Spaß. Zwei Wochen.«
»Kein Interesse.«
»Und warum du hier in Kuba? Für Geschäfte?«
»Nur so.«
»Was bedeuten nur so?«
»Ist nicht wichtig.«
» Misterioso .« Sie seufzte und schaute achselzuckend zum Barmann, dieses Mal etwas weniger unauffällig. Der schaute zum Wachmann und schüttelte leicht den Kopf. Sie wussten nicht recht, was sie mit Max anfangen sollten.
Die Frau pulte sich ein Stück Schweinefleisch aus den Zähnen und rückte noch dichter an Max heran, sodass sie sich fast berührten. Sie roch nach Parfüm und Zwiebeln.
»Willst du nicht sagen, warum du hier?«
»Da gibt es nichts zu sagen«, sagte Max. »Ich bin Tourist. Aus Kanada.«
»Du mir nicht sagen, weil du, wie heißt, tímido ? Aber ich wissen, du hier für Spaß mit Ladys. Ist okay. Viele Leute von Kanada kommen für Spaß mit Ladys.«
»Nichts liegt mir ferner.«
Sie senkte die Stimme.
»Du nicht mögen die Frauen?«
»Das habe ich nicht gesagt.« Er trank den Kaffee aus und wollte keinen zweiten.
»Du mögen Männer?«
»Was?«
»Du mögen die Männer? Weißt schon, Spaß mit Männer?«
Max musste lachen. »Nein, das mag ich auch nicht.«
»Was du wollen? Du nicht mögen die Frauen, nicht mögen die Männer?«
Dann fiel ihm etwas ein.
»Möchtest du was trinken?«, fragte er.
»Trinken?«
» Uno más cerveza.« Er deutete auf ihre leere Flasche.
»Nein. Bier ist fünf Pesos. Viel Geld.«
»Schon in Ordnung.«
»Nein, ist nicht in Ordnung. Ist fünf Pesos.«
»Du möchtest nichts trinken?«
»Statt kaufen Bier, warum nicht geben mir fünf Pesos?«
»Du willst fünf Pesos?«
»Ja. Fünf Touristpesos. Nicht peso cubano. Peso cubano ist für Klo, weißt du. Papel higiénico .«
Es gab zwei Währungen in Kuba, eine für Touristen und eine für die Einheimischen. Der Touristen-Peso war konvertierbar und entsprach fünfundzwanzig lokalen Peso. So viel zum Sozialismus.
Max öffnete seine Brieftasche und sah, wie ihr beim Anblick der vielen Geldscheine die Augen übergingen. Er hielt ihr einen 10-Peso-Schein hin. Sie nahm ihn und schaute zum Barmann, aber der war gerade mit einem anderen Gast beschäftigt. Sie schob sich den Schein in den Hosenbund.
»Gracias«, sagte sie.
»De nada.«
»Du Kinder, John?«
»Nein.«
»Aber ich. Ich haben Sohn, der heute Geburtstag. Ich kein Geld für Geschenk.«
»Wie alt ist er?« Max wusste, was jetzt kam.
»Sechs.« Ungefragt zog sie ein Foto aus dem ramponierten schwarzen Portemonnaie, das sie an einer dicken Kette trug. Der Junge sah aus wie zwölf und ähnelte ihr nicht im Geringsten. Noch dazu war das Foto alt und
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