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Todesritual: Thriller (German Edition)

Todesritual: Thriller (German Edition)

Titel: Todesritual: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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sein Unwesen treiben und setzten dann ihren Weg fort. Sie fingen nicht an zu rennen. Sie wichen nicht zurück. Sie blieben nicht stehen. Sie gingen immer weiter, egal was kam. Genau wie das Land selbst.
    Er spürte den Wind im Gesicht, die Wärme, dann die kühle Brise und wieder die Wärme. Das Salzwasser auf seiner Zunge arbeitete sich bis in die Kehle vor, der Nachgeschmack ließ an alte Tränen denken. Über ihm flatterte die kubanische Flagge im Wind, es klang, als würde da jemand geohrfeigt. Ein einzelner Stern auf einem roten Dreieck, daneben blaue und weiße Streifen. Es erinnerte ihn ein wenig an die texanische Flagge, wie so vieles hier ihn ein wenig an die Heimat erinnerte. Die amerikanischen Oldtimer vor allem. Einige waren sehr gut erhalten, die meisten aber wurden nur noch von Draht und Klebeband, Rost, verschiedenfarbigen Lackschichten und Zuversicht zusammengehalten. Bel-Airs, T-Birds, DeSoto-Coupés, Caddys mit Flossen, Willys-Trucks, viertürige Plymouths, Super-88s, Skylarks – eine klappernde, quietschende, qualmende Parade des Ehemaligen, die auf eiernden Rädern und mit knallenden Auspuffen durch die Straßen zog.
    Zu seiner Rechten beschrieb die Skyline Havannas einen Bogen wie eine gekrümmte Kralle, der am Leuchtturm des Castillo El Morro endete. Die meisten Gebäude waren niedrig und solide gebaut, dazwischen, gegen die Eintönigkeit, ein paar wackelig wirkende, grellbunt angestrichene Hochhäuser.
    Zu seiner Linken befand sich die Interessenvertretung der USA – eine Botschaft ohne Botschafter. Ein farbloser Klotz aus Beton und Glas hinter einem hohen Eisenzaun, vor dem die kubanische Polizei rund um die Uhr Wache stand. Hier war der Kalte Krieg noch in vollem Schwange und wurde Tag für Tag und insbesondere bei Nacht ausgetragen. Wenn die Sonne sank – so wie jetzt –, wurde das Gebäude zu einer elektronischen Werbetafel. Unter den Fenstern des obersten Stockwerks lief in großen roten Buchstaben eine Laufschrift mit Anti-Castro-Slogans und Zitaten. Das Regime hatte zurückgeschlagen und vor dem Gebäude einen kleinen Fahnenwald mit hohen Masten errichtet, an denen schwarze Flaggen mit einem einzigen silbernen Stern flatterten – sie waren der Erinnerung an die Opfer der Invasion in der Schweinebucht, des Attentats auf das Flugzeug der Cubana Airlines 1976 und der Hotelbomben der 1990er gewidmet, und nebenbei sollten sie – ganz praktisch – die feindliche Propaganda verdecken, damit das Volk sie nicht zu Gesicht bekam. Wenn das nicht ausreichte, waren die Polizisten zur Stelle und stießen in ihre Trillerpfeifen, sobald ein Passant einmal zu lange und zu interessiert nach oben schaute. Es wurde häufig und schrill gepfiffen, lauter als das Plätschern der Wellen, der Wind und die Autos.
    Es waren nur neunzig Meilen bis Key West.
    Eine Woche zuvor war Max in zwei Tagen bei zwei Beerdigungen gewesen.
    Eldon wurde eingeäschert. Keine Familie, keine Freunde. Nur Max und ein Mann, den er nicht kannte: Latino, über fünfzig, graues Haar und schneeweißer Ziegenbart zu dunklem Teint.
    Er kannte Max. Er stellte sich mit Handschlag und Visitenkarte vor.
    Sal Donoso, Eldons Anwalt.
    »Wir haben ein paar Dinge zu besprechen, in ein oder zwei Wochen«, sagte Donoso.
    »Ich werde für eine Weile außer Landes sein.«
    »Ich melde mich bei Ihnen«, sagte der Anwalt.
    Am Tag darauf wurde Joe beigesetzt. Es war ein Medienspektakel: Der Bürgermeister war da, und der Polizeipräsident hielt eine Rede. Es wurde Salut geschossen, eine akkurat gefaltete Flagge wurde übergeben, und alle Polizisten schwitzten in ihrer blauen Ausgehuniform.
    Bei der anschließenden Trauerfeier wurde Max von allen außer der Familie gemieden. Der Polizeipräsident schaute durch ihn hindurch. Max kam sich vor wie das Ventil, das den großen Knall verhinderte. Er entschuldigte sich und ging, so früh es der Anstand erlaubte.
    Vier Stunden zuvor war Max mit einer Maschine aus Montreal in Havanna gelandet.
    Terminal 2, Aeropuerto Internacional José Martí: Von den Deckenbalken hingen Flaggen sämtlicher Nationen, staubig und ein wenig verblichen. Max hatte die amerikanische Flagge gesucht und gefunden. Die Aussage war unmissverständlich und simpel: Alle sind willkommen, ohne Ausnahme.
    Mit ihm waren mehrere Amerikaner gelandet, Max’ Einschätzung nach mindestens ein Drittel seiner Mitreisenden. Überwiegend Pärchen, weiß, zwischen dreißig und fünfzig, gebildet und gut situiert – Menschen, die regelmäßig

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