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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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da aus ging es wenig später über den Brattabrekka-Pass in die Dalir-Region und weiter zum Gilsfjörður, den sie wegen der neuen Brücke nicht zu umfahren brauchten. Danach wurde die Straße immer schlechter. Erlendur hatte diese Strecke gewählt, obwohl die nördliche Route sehr viel besser instand gehalten wurde. Begründet hatte er das damit, dass man auf diese Weise abgelegene Landesteile kennenlernen und ein Gefühl für Entfernung und Abgeschiedenheit bekommen würde.
    »Weshalb heißt das jetzt eigentlich immer ›die Querung des Gilsfjörður‹?«, fragte er, als sie über die Brücke fuhren. »Warum redet man nicht mehr davon, einen Fjord zu überbrücken? Was ist das eigentlich für ein Unwort, Querung?«
    »Keine Ahnung«, sagte Sigurður Óli, der nicht das geringste Interesse für solche Fragen aufbringen konnte.
    »Genauso gut könnte man sagen, dass unsere ›Herausfindungen‹ uns hierher geführt haben.«
    Und dass »die Vögelung« mit Bergþóra ein in die Ferne gerückter Traum geworden ist, dachte Sigurður Óli, sagte aber nichts.
    Sie fuhren eine Weile schweigend weiter.
    »Weshalb finden wir unsere Birta nicht im Volksregister?«, fragte Erlendur.
    »Ganz komische Sache«, sagte Sigurður Óli. »Es hat fast den Anschein, als habe dieses Mädchen überhaupt nicht existiert.«
    Es ging schon auf den Abend zu, als sie auf der miserablen Straße sämtliche Fjorde im Barðastrand-Bezirk entlangfuhren. Die Berge wurden von der Sonne angestrahlt. In einigen dieser Fjorde war es in früheren Zeiten, als die Menschen genügsamer waren, möglich gewesen, ein kleines Anwesen zu bewirtschaften und ein bescheidenes Leben zu führen, aber jetzt waren die Höfe allesamt verlassen. Die Fahrt erwies sich als zeitraubender und anstrengender, als sie sich vorgestellt hatten. »Das kann man doch nicht als Straßen bezeichnen, diese elenden Holperwege«, grummelte Sigurður Óli in regelmäßigen Abständen, wenn er einem heruntergekollerten Felsbrocken oder einem abgrundtiefen Schlagloch ausweichen musste. Erlendur schlug vor, in Flókalundur zu übernachten. Aber dort angekommen mussten sie feststellen, dass das nicht möglich war. Deutsche Touristen hatten das Hotel mit Beschlag belegt. Sie beschwerten sich gerade lautstark über den Service. Erlendur und Sigurður Óli aßen aber dort zu Abend, nachdem sie ganz in der Nähe eine Unterkunft auf einem Bauernhof ergattert hatten. Es war nur noch ein einziges Zimmer frei, das sie sich teilen mussten. Nachdem sie sich einquartiert hatten, zog Erlendur einen Flachmann mit Whisky aus der Tasche und bot Sigurður Óli einen Schluck an. Als rücksichtsvolle Angehörige des öffentlichen Dienstes hatten sie sich die Schuhe ausgezogen und begaben sich beide auf Socken in den kleinen Aufenthaltsraum, in dem ein Fernseher stand. Dort saß ein Mann mittleren Alters, der ihnen zunickte und ihnen einen guten Abend wünschte. Sonst war niemand dort. Der Mann trug ein graues T-Shirt, das sich über seinem Kugelbauch spannte. Seine Arme waren dicht behaart, und die Bartstoppeln im Gesicht schienen mindestens eine Woche alt zu sein. Wenn er lächelte – und dazu hatte er des Öfteren Anlass, wenn Erlendur den Whisky kreisen ließ – konnte man sehen, dass im Ober- und Unterkiefer der ein oder andere Zahn fehlte.
    Er sagte, er sei mit seiner Familie unterwegs, sie seien die einzigen Isländer in diesem Haus mit fünf Zimmern, die anderen waren Engländer und Deutsche, Rucksacktouristen, er könne sie nicht verstehen, weil er kein Englisch und erst recht kein Deutsch spreche, die seien noch irgendwo draußen unterwegs. Er selber habe die Fähre verpasst …
    So ging es unentwegt weiter, man brauchte ihn nach nichts zu fragen, und als Reaktion genügten Einschübe wie »Was?«, »Ja.«, »Hm.« oder »Nein.«. Erlendurs Interesse erwachte plötzlich, als der Mann erklärte, seinen Sommerurlaub in dem alten Fischerort verbracht zu haben, wo er einst aufgewachsen war, und dass er am nächsten Tag die Fähre von Brjánslækur aus nehmen würde, er habe keine Lust, die Fjorde entlangzukurven, entsetzliche Straßen, unbegreiflich, in was für einem miserablen Zustand die waren, die Fahrt auf solchen Straßen tue man sich nur einmal an.
    »Du stammst also hier aus dem Westen?«, gelang es Erlendur, den Redefluss des Mannes zu unterbrechen.
    »Bin vor knapp drei Jahren weggezogen. Keine Chance, da existieren zu können. War da in einem Kaff, wo die Fangquote einfach mir nichts, dir

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