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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Herbert in die Wege geleitet; schon mittags wurde offiziell im Radio nach ihm gefahndet, und in den Abendnachrichten im Fernsehen ein Bild von ihm gezeigt und gesagt, dass dieser Mann vermisst würde. In den Zeitungen am nächsten Morgen erschien das gleiche Foto mit der Aufforderung an alle, die etwas über Herberts Verbleib wussten, sich mit der Polizei in Verbindung zu setzen. Es gab zwar ein Bild im Archiv der Polizei, aber weil es zu alt war, verwendete man einen Ausschnitt aus einem Foto, das auf seinem Nachttisch gestanden hatte. Es war das einzige im ganzen Haus. Er trug ein weißes Hemd mit ausladendem Kragen und silberglänzenden Knöpfen. Wenn das ganze Bild veröffentlicht worden wäre, hätte man erkennen können, wo es aufgenommen worden war: Graceland in Memphis, Tennessee.
    Über dem Nachttisch im Schlafzimmer hing ein altes Plakat eines Italowesterns, The Good, the Bad and the Ugly. Falls die Polizisten darauf geachtet hätten, wäre ihnen aufgefallen, dass unter den Produzenten des Films ein Mann namens Harvey Rothstein aufgezählt wurde.

Fünfzehn
    Als die Hauptfiliale der Fleischergenossenschaft Suðurland von Reykjavík nach Hvolsvöllur verlegt wurde, standen die Betriebsgebäude an der Skúlagata etliche Jahre leer, bevor sie abgerissen wurden. Die Gebäude waren entsprechend den Firmenfarben weiß gestrichen, die Dächer rot. Sie bildeten ein nicht ganz regelmäßiges Karree um einen großen Hof, auf den früher die LKWs mit den Fleischlieferungen gefahren waren. Die Gebäude waren zwei- und dreistöckig und reichten von der Skúlagata am Meer bis hinauf zur Lindargata. In ihnen wurde fast das gesamte Fleisch für Reykjavík verarbeitet. Die Häuser waren sehr solide gebaut, und als sie abgerissen wurden, waren Kranwagen Tag und Nacht damit beschäftigt, den dicken Beton mit großen Stahlkugeln zu zertrümmern. Anschließend wurde der Schutt wegtransportiert, das Gelände eingeebnet und mit Rollrasen bedeckt, sodass fast nichts mehr darauf hindeutete, dass dort mehr als siebzig Jahre lang die Hauptfiliale des Unternehmens gestanden hatte.
    Aus irgendwelchen Gründen wartete ein Haus aber immer noch darauf, abgerissen zu werden, nämlich die ehemalige Räucherei. Den weißen Anstrich der Außenwände hatten frostige Nordwinde abblättern lassen, übrig geblieben war ein hässliches, senfgelbes Gebäude. An der Westseite befand sich ein eisernes Gittertor, das aus einem merkwürdigen Trotz heraus immer noch standhielt. Durch dieses Tor waren ehemals die Lastwagen aus- und eingefahren, später wurde die Einfahrt in die Lindargata verlegt. Damals war die Blütezeit des Unternehmens gewesen. Es gab nur ein kleines Fenster an diesem Haus, das nach Norden auf die Skúlagata ging. Die beiden Scheiben darin waren schon seit langem zerbrochen, und man hatte Spanplatten davorgenagelt. Eine große, graue Stahltür auf Rollen führte ins Haus; sie befand sich an dessen Westseite und war mit einem Hängeschloss versehen.
    Drinnen war es stockfinster. Einige Gitterroste aus Aluminium, die beim Räuchern von Fleisch verwendet worden waren, hatte man zurückgelassen. Sie lagen auf dem Boden verstreut, und man konnte fast den Eindruck gewinnen, die Beschäftigten hätten das Räucherhaus fluchtartig verlassen müssen. Eines dieser Gitter hing an einer der drei Schienen, die an der Decke befestigt waren und in die Räucherkammer führten. Ein großer Tisch mit einer Stahlplatte lag umgekippt in einer Ecke des Raums. Die Tür zu einer kleinen Räucherkammer neben den Öfen, in der Lachs geräuchert worden war, stand offen.
    Die Öfen waren riesig und von innen kohlrabenschwarz. Eine dicke Schicht Tierfett hatte sich im Laufe der Jahre an den Wänden angesammelt. In den Boden waren Gitter eingelassen, unter denen sich lange Schubkästen auf Rollen befanden, die auf Laufschienen aus den Öfen ins Hinterzimmer gezogen werden konnten. Neben den Öfen führte ein kleiner Gang in diesen Raum, der den dunkelsten Teil des ehemaligen Räucherhauses bildete. Dort lag immer noch einiges vom früheren Inventar herum, gestapelte Holzscheite, eine Plastikwanne halb voll mit Holzkohle, und außerdem in einer Ecke des Raums getrockneter Schafsmist und Säcke mit Hobelspänen. Der Raum hatte einen Steinfußboden, der aber vor lauter Dreck kaum noch zu sehen war, und an der Nordwand befand sich das einzige Fenster des Hauses.
    Der Mann, den der Zeuge in Breiðholt dabei beobachtet hatte, wie er Herbert aus seinem Haus heraustrug,

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