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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Straße überquert hatte, Janus hatte ein paar Meter Vorsprung und lief, so schnell er konnte, in Richtung Hafen. Er legte zwar ein ordentliches Tempo vor, aber er war klein für sein Alter, und deswegen schrumpfte sein Vorsprung rasch. Birta rannte hinter den Jungen her. Hoffentlich konnte er sich bei den Booten im Hafen verstecken oder die Seeleute dort dazu bringen, ihm zu helfen! Wenn er es doch nur schaffen würde, die Jungen abzuhängen, wenn er nur … Wenn er nur …
    Birta verlor Janus aus den Augen, als er um die Ecke des Gefrierhauses bog, und da war der Vorderste in der Bande Janus schon ganz dicht auf den Fersen. Die kriegen ihn, dachte sie, die kriegen ihn.
    Sie brauchte einige Zeit, bevor sie atemlos und schnaufend das Gefrierhaus erreichte. Sie rannte um die Ecke, überquerte den Platz davor und lief in Richtung des Kais. Der war jetzt um die Kaffeezeit menschenleer, denn alle, die am Hafen zu tun hatten, machten gerade eine Viertelstunde Pause in der Kantine, schlürften Kaffee und mampften Brote. Sie sah die Jungen am Ende des Kais in einem Pulk zusammenstehen. Janus war nirgends zu sehen. Sie schrie seinen Namen und rannte auf die Gruppe zu. Beim Näherkommen erkannte sie, dass die Jungen alle in ein am Kai vertäutes Schiff hinunterstarrten, das vollgeladen war mit Lodde. Loddefänger waren ein seltener Anblick in den Westfjorden, denn in der ganzen Region gab es nur eine einzige Fischmehlfabrik. Die Jungen standen stumm da und starrten in das Schiffhinunter.
    Zwei der Jungen bemerkten sie und stießen die anderen an; einer nach dem anderen drehte sich zu ihr um. Die aufgepeitschte Stimmung war verschwunden, und sie beobachteten schweigend, wie sie sich näherte. Einige schielten noch einmal hinter sich in das Schiff, und dann rannten alle wie auf Kommando weg, sausten an ihr vorbei und verschwanden hinter dem Gefrierhaus. Sie lief, so schnell sie konnte, zum Ende des Kais und konnte gerade noch rechtzeitig stoppen. Der Schiffsladeraum stand offen und war randvoll mit Lodden.
    Janus war nirgends zu sehen. Als er vom Kiosk losrannte, war er unschlüssig gewesen, in welche Richtung er laufen sollte. Es gab nur zwei Möglichkeiten, in die Stadt oder zum Hafen. Er wählte die letztere, denn dort waren möglicherweise Menschen, die ihm helfen konnten, bevor die Bande ihn einholte. Nach Hause war es viel zu weit. Deshalb sauste er blitzschnell über die Straße und rannte in Richtung Hafen und Kaianlagen. Die ganze Zeit hörte er das Schreien und Johlen der Meute hinter sich. Er spürte, dass sie immer näher kamen, und als er um die Ecke des Gefrierhauses bog, hörte er das Keuchen der vordersten Jungen schon ganz in seiner Nähe. Als er auf dem Kai ankam, war ihm klar, wie aussichtslos seine Lage war. Am Ende des Kais lag der Loddefänger vertäut, jetzt gab es kein Entkommen mehr. Er drehte sich schnaufend und nach Atem ringend um. Als die Jungen sahen, dass Janus sich selber in eine Falle manövriert hatte, verlangsamten sie das Tempo. Er würde ihnen nicht entkommen.
    Drohend näherten sie sich unter Rufen, Schreien und Beschimpfungen, während er versuchte, die Ohren davor zu verschließen. Er warf einen Blick hinter sich in das Boot, die Luken zum Laderaum standen weit offen, und die Fische quollen beinahe heraus. Dann fielen seine Blicke wieder auf seine Verfolger. Als die Jungen an der Spitze schon ihre Hände nach ihm ausstreckten, drehte er sich um und sprang.
    Es war nicht seine Absicht gewesen, in den Laderaum zu springen, aber ein Bein landete in der offenen Luke, und im nächsten Augenblick versank er in diesem Gemisch aus eiskalten, toten Fischen und Meerwasser, sank tiefer und immer tiefer, als sei er in dünnflüssigem Morast gelandet. Eiseskälte drang von allen Seiten in ihn ein, und er versuchte zu schreien. Es gelang ihm, wieder aufzutauchen, und er versuchte brüllend und strampelnd, den Kopf oben zu behalten, aber sobald er nach Luft schnappte, füllte sich der Mund mit Lodden und Meerwasser, und er ging gleich wieder unter. Als es ihm ein weiteres Mal gelang hochzukommen, sah er seine Verfolger oben über den Rand der Kaimauer starren und hoffte für einen Moment, dass sie ihm helfen, ihm ein Seil zuwerfen würden, um ihn hochzuziehen, aber nichts dergleichen geschah, und er versank wieder.
    Er war völlig außer Atem vom Laufen, und sehr bald ging ihm die Luft aus. Nach kurzer Zeit kam es ihm so vor, als würde er das Bewusstsein verlieren. Er hatte das Gefühl zu platzen,

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