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TODESSAAT

TODESSAAT

Titel: TODESSAAT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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eigenen Türen entstehen zu lassen. Zweimal knipste er aus reiner Gewohnheit das Licht an, ehe er merkte, dass er nicht mehr darauf angewiesen war. Einmal fand er sich vor einem mannshohen Spiegel wieder. Das Abbild des hohlwangigen Mannes mit den leuchtend roten Augen, das er zeigte, erschreckte und faszinierte Harry zugleich. Natürlich hatte er gewusst, dass er dabei war, sich zu verändern, aber erst jetzt wurde ihm klar, wie schnell die Veränderung vor sich ging. Sie erfüllte ihn mit gemischten Gefühlen und ihm fremden Begierden; sie bedeutete Nacht und Geheimnis, das Umherstreichen an ungewöhnlichen Orten, so als sei er auf der Suche nach Beute. Nun, das war er ja auch. Aber es gibt nun mal Beute und – Beute ...
    Das Archiv war schmutzig und unaufgeräumt und roch nach starkem Kaffee und abgestandenem Zigarettenrauch. Es verfügte über ein antiquiertes System von Aktenschränken, die allesamt offen standen, sodass Harry sie inspizieren konnte. Er entdeckte auf Anhieb eine Liste der Filialleiter und Direktoren der Lagerhäuser, aber nichts über die Belegschaft. Dafür gab es ein Verzeichnis der Adressen und Telefonnummern aller Nebenstellen von Frigis Express, das Harry einsteckte. Damit würde er zumindest ein bisschen Zeit sparen. Das war allerdings auch schon alles – was ihm kaum genügte.
    Er war verärgert und überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Wahrscheinlich war es am besten, oben auf der Liste der Zweigstellen zu beginnen und sich hinunterzuarbeiten. Doch dann ertappte er sich aus heiterem Himmel bei dem Gedanken, ob Trevor Jordan vielleicht schon auf sei. Er könnte eine Tasse Kaffee gebrauchen, etwas Gesellschaft, ein paar freundliche Worte, jemanden ... mit dem er zusammen sein konnte – jedenfalls kurz, nur um das sonderbare Gefühl loszuwerden, das sich in ihm breit machte.
    Obwohl Jordan wahrscheinlich noch nicht wach war, streckte Harry einfach auf gut Glück seine telepathischen Fühler aus, suchte – und fand ihn sofort.
    Harry?, erklang Jordans unverwechselbare »Stimme« so klar in Harrys Verstand, als habe er ihm die Worte ins Ohr geflüstert. Bist du es?
    Für Harry war Telepathie dasselbe, wie mit den Toten zu reden, und dennoch etwas völlig Anderes. Etwas Ähnliches hatte er bereits früher angewandt – eine Art inverser Totensprache, vermutete er. Doch das war schon ein paar Jahre her. Zu der Zeit hatte er gerade keinen Körper gehabt, und eigentlich war es auch wieder ganz anders. Die Telepathie war ihm also neu. Trotzdem kam sie ihm ... natürlicher vor. Nun, er hielt sie ja auch für natürlicher. Immerhin traf das auf fast alles zu, was es gab. Was die Telepathie anging: Es war so wie Telefonieren, bis hin zum Knistern und Knacken übersinnlichen statischen Rauschens. Mit den Toten zu reden dagegen war wie das schaurige Heulen des Windes, der unter dem dahinziehenden Vollmond durch einen öden Wüstencanyon streicht. Kurz, es war der Unterschied zwischen einem rein gedanklich geführten Gespräch unter Lebenden und einem metaphysischen Gespräch mit den Toten.
    Trotzdem schien Jordan auf der Hut zu sein, nicht sicher, ob er es tatsächlich mit Harry zu tun hatte. Er zögerte sogar, preiszugeben, wer er war. Der Necroscope hatte keine Ahnung, warum. Er legte die Stirn in Falten und fragte: Wer sollte es denn sonst sein, Trevor?
    Als Jordan seine Stimme hörte, erkannte er ihn auf Anhieb. Doch an Trevors geistigem Seufzen (der Erleichterung?) merkte Harry, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Ebenso an dem, was er als Nächstes sagte: Harry, du kennst doch das Haus in Barnet, in dem ich früher gewohnt habe? Dort bin ich gerade. Aber ich weiß nicht, wie lange noch. Ich würde gern von hier verschwinden. Mehr möchte ich im Moment nicht dazu sagen – wahrscheinlich wäre es auch nicht sicher. Aber wäre es dir möglich, herzukommen? Ich meine, sofort?
    Was ist los? Harry war mit einem Schlag voll da. Er ahnte die Gefahr, und noch immer konnte er Jordans Unsicherheit spüren.
    Ich weiß nicht, Harry. Ich bin nach London gegangen, um zu sehen, ob ich vielleicht etwas für dich herausfinden könnte, aber ich bin fast von Anfang an auf der ganzen Linie blockiert worden. Ich bin hergekommen, um sie zu beobachten, das Dezernat, aber zum Teufel ... Ich habe nicht damit gerechnet, dass jemand mich beobachten würde!
    Jetzt im Augenblick?
    In ebendiesem Moment, ja.
    Ich bin schon unterwegs, sagte Harry.
    Mit einem leisen Plop! strömte die Luft an der Stelle, an der er

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