TODESSAAT
erblickte.
Shaitan war von der Farbe und Beschaffenheit schwarzer Lava. Nur seine Bewegungen offenbarten ihn vor den Felswänden, und dies nur, wenn er wollte, dass man ihn sah. Fess sah ihn, und sein Unterkiefer sackte herab. Er schnappte nach Luft und vergaß den tödlichen Hieb gegen Shaithis. Der dankte es ihm, indem er ihm den zur Faust geballten Handschuh von der Seite her an den Schädel schmetterte. Dann ...
... wischte das aus uralter Zeit stammende Finstere Ding Shaithis beiseite, fort aus dem plötzlich gelockerten Griff des Ferenc, und umwand den betäubten Riesen mit einem Gewirr peitschender Tentakel. Die Arme gegen die Seiten geschlungen, war Fess hilflos, doch Shaitan gewährte ihm nicht den Bruchteil eines Aufschubs. Begleitet vom Geräusch reißenden Leders klaffte sein dehnbares Maul weit auseinander und stülpte sich über Gesicht und Kopf des Ferenc – und schnappte zu!
Shaithis wankte blindlings fort, stieß gegen steinerne Trümmer und strauchelte. Und, plötzlich kraftlos, stürzte er und schlug schwer auf dem Lavaboden auf. Da, auf der einen Seite, wütete Shaitans albtraumhafter Schlinger und saugte zischend und blubbernd die letzten Körpersäfte aus Arkis heraus, dort, auf der anderen, zermalmte und verschlang Shaitan, der Erste Vampir, den Schädel des unbesiegbaren Fess Ferenc, während der kolossale Leib noch in unzähligen Tentakelwindungen ruckte und zuckte. Und Shaithis dachte: Wenn es eine Hölle gibt, dann stehe ich an ihrem Tor!
Shaitans Augen irrlichterten rot aus der Finsternis, die sein malmender, kauender, metamorpher Schädel war. Und seine Antwort – direkt in Shaithis’ schwindelndem Verstand, lautete: Aye, eine Art Hölle, gewissermaßen, worin wir jedoch die Herren sind. Denn es ist unsere Hölle, Sohn meiner Söhne, und eines Tages tragen wir sie mit uns nach Starside ... und weit darüber hinaus. In alle anderen Welten!
TEIL DREI
ERSTES KAPITEL
Zunächst hatte Harry Keogh, seines Zeichens Totenhorcher und verhinderter Rächer, geglaubt, es würde nicht besonders schwierig werden, seine Beute aufzuspüren: einen jungen Fahrer, der für Frigis Express arbeitete und zufällig auch noch ein Nekromant, Sexmonster und wahnsinniger Serienmörder war. Sechs junge Frauen gingen auf sein Konto. Aber Keogh hatte schon bald herausgefunden, dass es nicht annähernd so einfach sein würde, wie er es sich vorgestellt hatte. Frigis hatte, übers ganze Land verteilt, ein Dutzend Filialen, dazu noch einmal so viele Lager und Kühlhäuser und über zweihundert Lkws, von denen zu jeder beliebigen Tages- oder Nachtzeit stets fünfzig Prozent unterwegs waren. Aus diesem Grund beschäftigte die Firma vermutlich ziemlich viele Fahrer, auf welche die vage Beschreibung zutraf, über die Harry verfügte (natürlich war sie vage; denn er hegte den Verdacht, dass die aufgedunsene, lüsterne Kreatur, die ihm gezeigt worden war, eher einer verängstigten Fantasie entsprang als der Realität).
Außerdem arbeitete Frigis wahrscheinlich mit Aushilfskräften, und es war gut möglich, dass Harrys Mann zu ihnen gehörte.
Aber irgendwo musste es zumindest ein Verzeichnis der Stammangestellten geben. Diese Liste hoffte Harry zu finden. Ebenso hoffte er, dass der John oder ›Johnny‹, den er suchte, darauf stand.
Am dritten Mittwoch im Mai, morgens um 3.30 Uhr, stattete er der Londoner Zentrale von Frigis einen Besuch ab, um sich die Bücher des Unternehmens anzusehen. Um hinzugelangen, bediente er sich des Möbius-Kontinuums und hielt an mehreren wohlbekannten Ausgängen, bevor er schließlich im Eingang eines Geschäfts in der Oxford Street auftauchte. Um diese Uhrzeit war die üblicherweise von Abgasen verpestete Luft fast vollkommen frei von den Ausdünstungen des Verkehrs, belebend sogar, und die nächtliche Beleuchtung verlieh der Straße einen gewissen fremdartigen Glanz. Die zerfledderten, träge dahinwehenden Seiten einer weggeworfenen Zeitung flatterten in jähen Windstößen wie sonderbare, lahme Vögel den Rinnstein entlang.
Die Büros, die Harry suchte, lagen direkt gegenüber. Im ganzen Gebäude brannte kein Licht. Er hoffte, dass es keinen Nachtwächter gab, der die Sache komplizierte. Es gab keinen.
Harry betrat das Gebäude über ein Möbiustor und ließ sich von seinen erwachenden Vampirinstinkten erst in die richtige Etage, dann ins Archiv leiten. Verschlossene Türen stellten für den Totenhorcher kein Hindernis dar. Er gebrauchte Gleichungen, um aus dem Nichts seine
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