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TODESSAAT

TODESSAAT

Titel: TODESSAAT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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seine Kindheit. Niemand hatte ihn verstanden oder etwas wissen wollen von den ... Sachen, die er machte. Weil sie an derartige Dinge noch nicht einmal denken und schon gar nichts davon wissen mochten.
    Einsam, ganz recht, das war der Ort hinter dieser wie auffordernd geöffneten Tür. Und er wäre um einiges einsamer gewesen, hätte Johnny nicht die toten Dinge gehabt, mit denen er reden konnte. Und spielen. Und sie quälen.
    Doch weil er sein kleines Geheimnis gehabt hatte, diese gewisse Art, mit Kreaturen umzugehen, die nicht mehr waren, war es gar nicht so schlimm gewesen, eine Waise zu sein. Er wusste ja, es gab andere, denen es schlechter ging als ihm, die ein weit schlimmeres Schicksal hatten als er. Und falls nicht, konnte Johnny das sehr schnell ändern.
    Die offene Tür zog ihn an und ließ ihn zugleich zögern. Dahinter wirbelte das Dunkel der Erinnerung, bildete Strudel und zog ihn in seinen Bann. Johnny merkte, wie etwas ihn – gegen seinen Willen? – durch diese Tür trieb, dahin, wo seine Kindheit auf ihn wartete ...
    Sie hatten ihm den Namen »Found« gegeben, weil er gefunden worden war, und zwar in einer Kirche. Das Gestühl hatte gebebt und das Gebälk gezittert, so hatte er geschrien an jenem Sonntagmorgen, als der Küster kam, um nachzusehen, was das Theater sollte. Der von der Geburt ganz blutige Findling war in eine Sonntagszeitung gewickelt. Jemand hatte die noch warme Plazenta in einer Plastiktüte unter eine der Kirchenbänke gestopft.
    Johnny hatte sich die Lunge aus dem Hals geschrien und mit seinem steinerweichenden Geheul beinahe die Buntglasfenster zum Zerspringen gebracht, so, als habe er gewusst, dass er kein recht dazu hatte, in jener Kirche zu sein. Vielleicht hatte seine bedauernswerte Mutter das ebenfalls gewusst, und vielleicht war dies ihr Versuch gewesen, ihn zu retten. Aber er war fehlgeschlagen; und nicht nur Johnny war verloren, sondern auch sie.
    Wie dem auch sei, er hatte jedenfalls in einer Tour weitergebrüllt, bis sie ihn schließlich aus der Kirche geholt und ins Krankenhaus gebracht hatten. Erst auf der Intensivstation der gynäkologischen Abteilung, weit weg vom Haus Gottes, hatte er sich beruhigt.
    In dem Krankenwagen, der mit ihm in die Klinik raste, befand sich auch seine Mutter. Sie hatten sie, an einen Grabstein gelehnt, auf dem Friedhof gefunden, in einer Lache ihres eigenen Blutes sitzend. Der Kopf hing ihr auf den schwellenden Brüsten. Im Gegensatz zu Johnny überlebte sie die Fahrt jedoch nicht. Oder vielleicht doch, wenigstens für kurze Zeit ...
    Ein seltsamer Start in ein merkwürdiges Leben. Doch es sollte noch viel seltsamer kommen.
    Auf der Intensivstation wurde Johnny gewaschen, versorgt und in ein Kinderbettchen gelegt. Außerdem bekam er einen vorläufigen Namen, den er sein Leben lang behalten sollte. Um ihn von all den anderen Babys zu unterscheiden, hatte jemand »Found – Gefunden« auf das Plastikschild gekritzelt, das sie um sein winziges Handgelenk gebunden hatten. Von da an hieß er Found.
    Doch als eine Schwester nach ihm sehen wollte, um festzustellen, warum er auf einmal aufgehört hatte zu weinen und so ruhig geworden war ... das war nun wirklich unheimlich. Vielleicht auch nicht, je nachdem, von welcher Warte aus man es betrachtet. Seine junge Mutter war anscheinend doch noch nicht ganz tot gewesen. Vielleicht hatte sie die Babys schreien gehört und gewusst, dass eins davon ihres war. So musste es wohl gewesen sein. Denn wie könnte man es sonst erklären?
    Johnnys unbekannte, namenlose Mutter hatte tot neben seinem leeren Bettchen gesessen, im Arm ihr Kind, das ein paar Tröpfchen Milch aus ihrer erkaltenden Brust saugte.
    Bis Johnny fünf war, wuchs er in einem Waisenhaus auf, drei weitere Jahre verbrachte er bei einer Pflegefamilie, bis das Ehepaar, das ihn aufgenommen hatte, sich unter tragischen Umständen trennte. Danach kam er in ein Kinderheim in York.
    Was seine Pflegeeltern betraf: Die Prescotts besaßen ein großes Haus direkt am Ortsrand von Darlington, da, wo die Stadt ins freie Feld übergeht. Als sie Johnny 1967 adoptierten, hatten sie bereits eine vierjährige Tochter. Doch es hatte Komplikationen gegeben, und Mrs. Prescott konnte keine Kinder mehr bekommen. Ein Jammer, denn das Paar hatte sich schon immer gewünscht, eine »perfekte« Familie zu werden: sie beide, dazu ein Mädchen und ein Junge. Johnny schien genau der Richtige zu sein, um den Mangel zu beheben. Dennoch hatte David Prescott sich, seit er den Jungen

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