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TODESSAAT

TODESSAAT

Titel: TODESSAAT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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Carol. Das gefällt dir doch, das weiß ich. Und mir auch. Vor allem hinterher!«
    Seit einer guten Woche hatte David Prescott ebenfalls damit begonnen, früh aufzustehen. Alice beklagte sich weder darüber, noch fragte sie nach dem Warum, denn er nahm Rücksicht auf sie, verhielt sich jedes Mal sehr leise und brachte ihr stets eine Tasse Kaffee ans Bett. Es musste am Sommer liegen, an den hellen Morgenden, handelte sich wohl um das Morgenstund-hat-Gold-im-Mund- Syndrom. Tatsächlich jedoch lag es an der Post.
    Hier draußen wurde die Post immer früh zugestellt, noch in der Morgendämmerung, und David wartete auf einen Brief. Aus dem Waisenhaus. Nicht dass irgendetwas Wichtiges drinstehen würde – er war sich sicher, dass das nicht der Fall war – trotzdem wollte er ihn gerne lesen, bevor Alice ihn in die Finger bekam. Wenn sie ihn zuerst sah ... na ja, wahrscheinlich würde sie nur sagen, er habe sie nicht mehr alle. Wegen Johnny. Und mit Sicherheit würde es so aussehen, als stimme das auch. Warum sonst sollte er wohl wegen des Jungen ans Waisenhaus schreiben?
    Die Sache war die: David war verzweifelt darum bemüht, dass alles bestens lief. Er wollte den armen Jungen tatsächlich gern haben. Aber gleichzeitig war er schon seit jeher empfänglicher für Stimmungen gewesen als Alice – eher als sie war er sich der Aura eines Menschen bewusst, vor allem bei Kindern – und ihm war klar, dass mit Johnny ganz einfach etwas nicht stimmte. Wenn es etwas mit seiner Vergangenheit zu tun hatte (aber mit was für einer Vergangenheit denn? Er war doch bloß ein Kind), mit etwas, worüber das Waisenhaus Bescheid wusste, dann, war David der Ansicht, sollten er und seine Frau es erfahren. Denn insgeheim glaubte er, dass Alice recht hatte, wenn sie sich über die Einstellung, die man im Waisenhaus hegte, beklagte. Sie hatten es ein bisschen zu eilig gehabt, Johnny loszuwerden, beziehungsweise »ihn der Fürsorge einer normalen, liebevollen Familie zu übergeben, in der er zu einem gesunden Menschen heranwachsen kann, gesund sowohl an Körper als auch an Geist ...«
    Das hatte der Direktor an dem Tag gesagt, an dem sie ihren neuen Sohn abgeholt hatten, und seine Worte waren David nicht mehr aus dem Kopf gegangen. »Gesund sowohl an Körper als auch an Geist ...«
    Vielleicht stimmte etwas nicht ganz mit Johnnys Psyche. Vielleicht war er ja ein bisschen krank im Kopf. Oder ein bisschen sehr krank? Nämlich genau diese Art Aura fühlte David manchmal aus dem Jungen herausschwappen. Sie war krank und klamm wie die eines alten Mannes auf dem Totenbett. Johnny kam ihm vor wie ein Sterbenskranker. Doch es war nicht Johnny, der im Sterben lag ...
    An diesem Morgen kam der Brief tatsächlich. David riss ihn auf und las, und eine Zeit lang ergaben die Worte überhaupt keinen Sinn. Wellensittiche in den Schlafsälen der Kinder, und Johnny sollte sie gestohlen, getötet und gesammelt haben? Eine Menagerie toter Dinge: Mäuse, Käfer, die Sittiche, sogar ein Kätzchen!
    Ein totes Kätzchen unter seinem Bett, das vor Maden nur so wimmelte, und Johnny hatte ihm so lange die Beine verdreht, bis sie endlich ab waren und er sie in der Hand hielt? Auf diese Weise hatten die Betreuer im Waisenhaus es gemerkt, als die anderen Kinder schreiend angerannt kamen.
    Aber ein Kätzchen?
    Moggit ...?
    Schreie?
    David konnte die entsetzten Schreie der Kinder regelrecht hören. Nur dass nicht jene Kinder schrien, sondern eins seiner eigenen – nein, sein eigenes – Carol. Die Schreie kamen vom unteren Ende des Gartens!
    Was ...?
    »Wo bleibt denn der Kaffee?«, rief Alice verschlafen von oben herunter. »Die Kinder sind schon auf.«
    Erneut erscholl aus dem Garten ein Schrei, der in einem Gurgeln erstarb.
    David war schon immer ein Mann schneller Entschlüsse gewesen – und hatte dabei oft Fehler gemacht. Auch jetzt handelte er sofort, und diesmal tat er genau das Richtige.
    Mit wehendem Bademantel jagte er, wie ein Verrückter heiser nach Carol schreiend, den Weg durch den Garten entlang. Aber er erhielt keine Antwort. Unter der Plastikkuppel sah er verschwommen eine kleine Gestalt neben dem Becken knien. David stürzte hinein; es war Johnny. Es hatte den Anschein, als wolle er Carol aus dem Wasser ziehen. Sie trieb dort mit dem Gesicht nach unten, die Arme schlaff ausgebreitet, wie gekreuzigt auf dem blauen, sanft plätschernden Wasser.
    Johnny hatte auf dem Feld gespielt. Da hatte er Carol schreien hören und einen Mann gesehen – bärtig, schmutzig

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