TODESSAAT
und in abgerissener Kleidung, der vom Garten her über die Mauer geklettert kam. Der Mann war weggerannt, über die Felder, und Johnny war nachsehen gegangen, was er da gemacht hatte. Carol hatte im Pool gelegen, und er hatte versucht, sie rauszuziehen.
Diese Geschichte tischte er David auf, Alice, der Polizei und überhaupt jedem, der sie hören wollte. Die meisten glaubten ihm, selbst David, beinahe wenigstens, trotzdem wollte er ihn nicht mehr in seiner Nähe haben. Alice glaubte ihm wahrscheinlich auch, obwohl das schwer zu sagen war, denn von Stund an war mit ihr nicht mehr viel anzufangen.
In den Überresten der alten Farm fand die Polizei eine Lagerstätte und holte jede Menge Müll aus dem Brunnen. Jemand, einer oder mehrere, musste dort im Freien kampiert und sich das Essen aus den Gärten und Anwesen (Davids Tauben) zusammengestohlen haben. Möglicherweise waren es Zigeuner gewesen (der Igel), vielleicht auch ein Landstreicher. Das war schwer zu sagen. Bestimmt würden sie ihn oder sie irgendwann kriegen.
Doch niemand wurde je gefasst; und Johnny kam wieder ins Waisenhaus ...
Harry schlief weiter und erlebte Johnny Founds Träume noch ein bisschen länger mit. Natürlich sah er Founds Vergangenheit lediglich aus der Perspektive des Nekromanten, was, wenn das überhaupt ging, schlimmer war als die ganze lebhafte Vorstellung und ihn vollends davon überzeugte, dass er den Richtigen vor sich hatte. Doch schließlich wurden ihm Founds Exzesse zu viel – die Traumerinnerungen an seine Untaten waren nichts als eine einzige grausige Litanei seiner Unmenschlichkeit. Harrys Hass auf ihn war mittlerweile blanker Wut gewichen.
Als Jugendlicher war Johnny Found ein Ungeheuer und Mörder gewesen und jedes Mal ungeschoren davongekommen. Bis vor kurzem war seine Stiefschwester Carol ja auch sein einziges menschliches Opfer geblieben. Zwischendurch hatte er sich damit begnügt, seine unvorstellbaren »Spiele« mit toten Kreaturen auch aus anderen Gründen als reiner Mordlust zu spielen.
Doch sowohl Menschen als auch Monster haben gemeinsam, dass sie erwachsen werden, und mit ihnen ihre Vorlieben, auch die sexuellen, und Johnny bildete da keine Ausnahme. Es war nur ... welch groteske Gestalt nimmt die Sexualität wohl bei etwas an, das so durch und durch verdorben ist?
Einmal hatte Found – aus Gründen, die sich Harry Keogh lieber nicht vorstellen wollte – eine Stelle in einem Leichenschauhaus angenommen, nur um gefeuert zu werden, als sein Chef Verdacht schöpfte. Es war jedoch die Traumerinnerung an einen anderen Job, den er gehabt hatte, diesmal in einem Schlachthof, die Harry schaffte und wie der berühmte letzte Tropfen das Fass zum Überlaufen brachte.
Da war Harry aus Johnnys Bewusstsein verschwunden, hatte seine telepathische Sonde schaudernd zurückgezogen und den Mann seinen Albträumen überlassen. Nur dass in Founds Fall die Albträume eigentlich kaum mit der Realität mithalten konnten ...
FÜNFTES KAPITEL
Anschließend träumte der Necroscope von Darcy Clarke, auch eine Art Albtraum, denn darin war Darcy tot und seine Stimme erreichte Harry aus dem Jenseits.
Dennoch klang sie nicht deutlich, sondern verzerrt, warf eine Unzahl von Echos, die aus allen Richtungen zusammenströmten, um sich zu einem eigenartigen, asynchronen Seufzen zu vereinen.
Ich konnte nicht glauben, dass du mir so etwas antun würdest, sagte Darcy, nachdem er sich vorgestellt hatte. Ich meine, in dem Augenblick, als sie mich getötet haben – als ich sah, dass sie mich tatsächlich töten konnten , trotz meines Schutzengels – da wusste ich, dass es deine Schuld war. Es konnte nur etwas gewesen sein, was du in meinem Kopf angestellt hast, als du da drin warst. Du hast das Ding ausgeschaltet, das auf mich aufgepasst hat, und mich verwundbar gemacht. Aber ich kann immer noch nicht glauben, dass du so etwas tun würdest, und ich weiß auch nicht, weshalb. Ich habe gedacht, ich kenne dich, aber ich hatte ja nicht die geringste Ahnung von dir!
Das ist doch nur ein Traum, e rwiderte Harry. Nur mein Gewissen – solange ich noch eins habe, das mir zu schaffen macht, weil ich auf Kosten eines anderen für meinen Schutz gesorgt habe. Das ist ein Albtraum, Darcy. In Wirklichkeit bist du gar nicht tot. Ich mache mir hier nur Selbstvorwürfe, weil ich gezwungen war, in deinem Kopf herumzupfuschen. Warum ich es getan habe? Um sicherzugehen, dass du verwundbar sein würdest, falls du dich gegen mich stellen solltest, bevor ich von hier
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