TODESSAAT
Haus.
Penny erwartete ihn, bleich und schön, und in ihrem Gesicht las er die Frage, die sie nicht auszusprechen wagte: Was wird aus uns beiden?
Der Necroscope war sich seiner Sache noch nicht sicher, deshalb gab er ihr statt einer Antwort einen Kuss. Da fragte sie ihn, wie es bei ihm passiert war. Diese Frage hatte er sich auch immer wieder gestellt, bis er mittlerweile glaubte, die Antwort gefunden zu haben.
Ohne viele Worte zu verlieren, erzählt er ihr im Schnelldurchlauf von Faethor Ferenczys Haus in Ploiesti, Rumänien – der einstigen Ruine, in der ein uralter Vampir geruht hatte, und wo Planierraupen jetzt alles dem Erdboden gleichgemacht hatten und ein Beton-Mausoleum wie ein riesiger Pilz in den grauen Himmel wuchs. Nur dass der ungeheure Staatsbau nicht dem Gedenken an Faethor und seine Untaten gewidmet war (denn er hatte sein Geheimnis bis zu seinem Ende bewahrt, sodass kein heute Lebender von ihm wusste), sondern als Denkmal der agrarindustriellen Besessenheit des Verrückten Ceausescu dienen sollte. An Faethor jedenfalls erinnerte dort nichts mehr, außer vielleicht der Erde, die er vergiftet hatte.
»Ich hatte meine Talente verloren«, erklärte Harry. »Ich konnte nicht mehr mit den Toten sprechen, und das Möbius-Kontinuum blieb mir verschlossen. Aber Faethor erzählte mir, er könne all dies in Ordnung bringen, ich bräuchte ihn nur aufzusuchen. Ich befand mich in einer Zwickmühle und hatte keinen anderen Ausweg. Tatsache ist, er hat mir die Fähigkeit, mit den Toten zu reden, zurückgegeben und mir geholfen, das Möbius-Kontinuum wiederzuentdecken. Doch all das war nur Teil seines Plans, wieder aufzuerstehen, mächtiger als zuvor zurückzukehren und die Welt der Menschen heimzusuchen.
Wie er das anstellen wollte? Mir ist immer noch nicht klar, ob ein böser Wille dahinter steckte oder ob es der Automatismus einer fremdartigen Natur war. Ich weiß nicht, ob Faethor es ausgelöst hat oder ob er lediglich wusste, dass es von sich aus eintreten würde. Ich kann mir nicht sicher sein, ob es nicht etwas war, das er vorsätzlich in Bewegung gesetzt hat, oder einfach das letzte Aufbäumen des unglaublichen Überlebenstriebes seines Vampirs. Alles, was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass es nichts Zäheres gibt als einen Vampir.
Die Sache war eigentlich ganz einfach: Faethor war während des Krieges bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen. Ein herabstürzender Deckenbalken hatte ihn aufgespießt. Sein Körper verbrannte, nachdem ein Mann, der zufällig vorbeikam, ihn aus Mitleid enthauptet hatte. Das Feuer ließ nichts von ihm übrig ... oder vielleicht doch?
Was geschah mit seinen Körperfetten – Vampirfetten, die aus seinem Fleisch schmolzen, zwischen die Ritzen der Bodendielen tropften und in die Erde sickerten, während der Rest des Hauses und mit ihm Faethor in Flammen aufging? Die griechisch-orthodoxen Priester früherer Zeiten wussten, wie man mit Vampiren umgeht, dass jeder einzelne Teil der Vrykoulakas verbrannt werden muss, weil selbst das kleinste Stück noch die Fähigkeit zur Regeneration besitzt!
Ich sehe es jedenfalls so: Faethors Geist – und nicht allein der, sondern auch etwas von der physischen Substanz des Monsters – war dort in der Atmosphäre des Ortes und in der Erde zurückgeblieben und wartete. Aber worauf? Wieder aktiviert zu werden? Wovon? Von Faethor, wenn er sich ein passendes Gefäß oder Medium für die Zukunft besorgt hatte? Das nehme ich an; und ich glaube, dass ich dieses Medium sein sollte.
Etwas von ihm – nenne es seine essentiellen Flüssigkeiten, wenn du willst – war in die Erde unter seinen Überresten eingedrungen, um der Gluthitze zu entgehen, und als ich ihn aufsuchte und mich an ebendiesem Fleck schlafen legte (Gott, das habe ich getan, das habe ich tatsächlich getan!), da kam dieses Etwas wieder an die Oberfläche, um in mich einzudringen. Aber was kann es bloß gewesen sein? Ich hatte dort nichts weiter gesehen als ein paar Fledermäuse, die durch die Nacht flatterten und noch nicht einmal in meine Nähe kamen.
Doch da war ... etwas.«
An diesem Punkt lenkte der Necroscope Pennys faszinierten Blick auf ein Bücherbord an der Wand neben dem Kamin. Ein Dutzend Bücher standen da, alle zum selben Thema: Pilze.
Aus großen Augen sah sie erst die Bücher, dann Harry an. »Pilze?«
Er zuckte die Achseln. »Essbare Pilze, Giftpilze, Schwämme – wie du siehst, habe ich mich eingehend damit beschäftigt. In den letzten Wochen habe ich sogar
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