TODESSAAT
und weiteren in Moskau – war ganz schwindlig. Doch der Necroscope wusste, dass Penny vorerst noch eine zu schwache Quelle darstellte, als dass man sie aufspüren konnte. Solange sie allein war, waren sie wahrscheinlich nicht in der Lage, sie zu finden. Selbst wenn, nahm er nicht an, dass sie einen Mann auf Zypern hatten. Hier würde sie sicher sein. Für kurze Zeit jedenfalls.
Und nun wurde es Zeit für ihn, sich um ihre Reservierungen für Starside zu kümmern ...
TEIL VIER
ERSTES KAPITEL
Im Möbius-Kontinuum öffnete Harry eine Tür in die Zukunft und hielt nach Faethor Ferenczy Ausschau. Faethor war schon lange tot und vergessen und hatte seit langem keinen Körper mehr, war also körperlos. So lange, dass inzwischen wahrscheinlich auch sein Geist darunter gelitten hatte. Doch der Necroscope wollte ihn nach ein paar wichtigen Dingen fragen. Nach seiner »Krankheit« zum Beispiel und wie er sie sich zugezogen hatte, vielleicht sogar danach, wie er sie wieder loswerden konnte, auch wenn diese Möglichkeit beinahe so fern schien wie Faethor selbst.
Wie immer rief die Möbiuszeit in Harry ein Gefühl der Ehrfurcht hervor. Bevor er durch die Tür trat und sich dem endlosen Strom der Zeit überließ, hielt er kurz inne und blickte hinaus auf die Menschheit, wie nur wenige Menschen aus Fleisch und Blut sie je gesehen hatten – und wenn, dann nur, weil er es ihnen gestattet hatte. Er sah die Menschheit als blaues Licht – das beinahe neonblaue Leuchten allen menschlichen Lebens, das mit einem nicht enden wollenden Seufzen, einem vielstimmigen, engelsgleichen Ahhhhhhhhh in die Ewigkeit rauschte. Das Seufzen existierte allerdings nur in seinen Gedanken (ihm war klar, dass es eigentlich seine Gedanken waren, die seufzten), denn die Zeit selbst ist völlig lautlos. Das war ihm gerade recht. Denn hätte er die ganzen Geräusche aus all den Jahren all dieser LEBEN, die er mit ansah, auch noch hören können, wäre die Kakophonie unerträglich gewesen.
Er stand beziehungsweise schwebte in dem metaphysischen Durchgang und blickte auf all die davonströmenden Linien blauen Lichts – die Myriaden von Lebenslinien des Menschengeschlechts – und dachte : Es ist wie ein Stern, der zur Nova wird, und das sind seine Atome, die zu entkommen suchen! Und er wusste, dass jede leuchtende Linie tatsächlich ein Leben war, das er von der Geburt bis zum Tod über die weglosen Himmel der Möbiuszeit verfolgen konnte; denn noch in diesem Augenblick trat wie ein sich von einer Garnrolle abspulender Faden seine eigene Lebenslinie aus ihm heraus, um die Schwelle zu überqueren und in die Zukunft zu jagen. Doch während die übrigen Fäden in makellosem Blau leuchteten, hatte der seine eine dunkelrote Färbung.
Was Faethors Linie anging: Wenn es sie gegeben hätte, wäre sie in reinem (unreinem?) Scharlach gewesen. Aber sie existierte nicht, denn Faethors Leben war vorüber. Für dieses uralte, einst untote Wesen gab es kein Leben mehr, nur noch den Tod, in dem er jenseits der Grenzen allen Seins immer weiter dahinjagte ... das hatte er Harry Keogh zu verdanken (oder wie man es auch immer nennen wollte). Der alte Vampir war körperlos, gewiss, doch der Necroscope wusste noch immer, wie er ihn aufspüren konnte. Denn im Möbius-Kontinuum haben selbst Gedanken Gewicht und währen, wie die Zeit auch, ewig.
Faethor, rief Harry und sandte sein Gespür wie eine Sonde voraus, während er sich in den Zeitstrom stürzte. Ich würde Euch gerne einen Besuch abstatten. Falls Ihr in Stimmung dazu seid.
Oh?, erscholl sofort die Antwort, und dann, erstaunlicherweise, ein Kichern, und zwar eins der düstersten und hinterhältigsten, die Faethor auf Lager hatte. Ein Treffen unter alten Freunden, wie? Haben wir heute Besuchstag? Na ja, warum auch nicht? Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich habe dich erwartet.
Tatsächlich? Harry holte Faethors Geist ein, die Erinnerung an ihn, seine Gedanken. Sie waren alles, was von ihm übrig war.
Oh ja! Denn wer, wenn nicht ich, könnte die Antwort kennen, he?
Die Antwort? Doch Harry wusste sehr wohl, was er meinte. Die Antwort auf sein Problem, dessen Lösung, vorausgesetzt, es gab eine.
Komm schon!, sagte Faethor missbilligend. Du hältst mich doch nicht etwa für naiv? Nenn mich, was immer du willst, aber niemals naiv. Er nickte und besah sich den Necroscopen genauer. Na also! Weißt du, du schaffst es doch immer wieder, mich zu erstaunen. Ich meine, so viele Talente! Und jetzt auch noch diese flotte
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