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TODESSAAT

TODESSAAT

Titel: TODESSAAT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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ich etwa nicht recht?«
    »Das werden wir wohl niemals erfahren, oder?«, knurrte sie.
    Harry stand direkt vor ihr, weniger als einen Schritt entfernt, durchaus in Reichweite ihres Kampfhandschuhs.
    »Du bist also hergekommen, um mich zu töten«, nickte er. »Aber dir ist doch sicher klar, dass auch ich eine Verwandlung durchgemacht habe? Tief im Innern müsstest du doch wissen, dass ich dir niemals schaden wollte, Karen! Ich war lediglich arglos und unerfahren. Auf meine Art.«
    Einen Moment lang sah sie ihn eindringlich an, kniff die Augen etwas zusammen, dann nickte sie und lächelte. Nur dass ihr Lächeln eher einem höhnischen Grinsen gleichkam. »Ich bin dir auf die Schliche gekommen!«, sagte sie. »Ich spüre dein Tor, Harry! Du hast mich einmal dorthin mitgenommen, weißt du noch? Innerhalb eines einzigen Augenblicks hast du mich aus dem Garten in meine Feste gebracht. Und jetzt ist hier gleich neben dir eine weitere Tür. Würdest du dich auch ohne sie so nah an mich herantrauen? Wenn ja, beweise es mir! Zeig mir, wie ›arglos‹ du bist!«
    Er schüttelte den Kopf. »Das war damals«, sagte er. »Was das Jetzt betrifft: Was auch immer ich gern wäre, ich kann nur Wamphyri sein! Mir ist herzlich wenig an Arglosigkeit und Unschuld geblieben ... ungefähr so viel wie dir? Ja, das Ding in mir hat mir den Rat gegeben, ein Tor heraufzubeschwören – zu meinem Schutz! Oder zu seinem? Aber der Mensch, der ich immer noch bin, sagt mir, dass ich diese Rückversicherung nicht brauche, dass sie alles, was ich dir vielleicht sagen könnte – all die Dinge, die ich dir sagen möchte – zu einer Farce macht. Und solange ich lebe, hat der Mensch in mir die Oberhand. Also sei’s drum!«
    Er warf alle Bedenken über Bord, ließ das Möbiustor in sich zusammensinken und schloss sein Bewusstsein weit für sie auf. Innerhalb weniger Augenblicke las beziehungsweise überflog sie alles, was darin enthalten war, denn er verbarg nichts vor ihr. Doch Gedankenlesen heißt in der Mehrzahl aller Fälle auch Fühlen, und vor allem anderen fühlte sie seinen Schmerz, der genauso groß, womöglich größer war als der ihre. Sie empfand seinen Verlust – alles, was er verloren hatte, das insgesamt mehr als die Summe seiner Verluste ausmachte. Und sie erkannte, wie einsam und innerlich leer er war. Das wiederum ließ ihr ihre eigene Einsamkeit und Leere in einem völlig neuen Licht erscheinen.
    Aber ... sie war eine Frau und entsann sich gewisser Dinge. Als seine Rechte sich erst sanft, dann besitzergreifend um die Rundung ihrer Taille legte, winkelte sie ihren Ellenbogen seitlich so weit an, bis ihr geöffneter Kampfhandschuh sachte auf seinem Rücken und linken Oberarm zu ruhen kam. »Erinnerst du dich daran, wie ich dir gesagt habe, dass ich dich begehre?«, fragte sie ihn. »Auf wie viele Arten ich dich begehre? Als Frau, möglicherweise – aber als Vampir ganz gewiss! Und weißt du noch, wie ich versucht habe, dich zu verführen, als du mich in meinem Gemach eingeschlossen hattest? Ich bin splitternackt herumgelaufen, habe mich gewunden und gestöhnt und mich an dich gepresst – und du hast einfach so getan, als sei ich gar nicht da. Als wärst du aus Stein und hättest Eiswasser in den Adern.«
    »Nein«, hauchte er ihr ins Ohr. Sein Atem ging schwer, während er den Moschusduft ihres Körpers in sich einsog. Er zog sie an sich, beugte sich zu ihr. »Ich war nur aus Fleisch und Blut und verrückt nach dir. Aber ich hatte ein Ziel vor Augen und war fest entschlossen, es auch zu erreichen. Das ist jetzt ... vorbei.«
    Sie spürte, wie sein Verlangen schwoll. Er wollte sie genauso sehr wie sie ihn, was sie nur weiter anstachelte. Sie fühlte sein Herz wie wild gegen ihre Brust hämmern. »Du ... du bist ein Idiot, Harry Keogh!«, flüsterte sie, während er sie fest an sich drückte. Jeder einzelne Nerv ihres Körpers war zum Zerreißen gespannt, als ihr Wamphyri-Instinkt danach schrie, den Handschuh in seinen Rücken zu graben, ihn darin umzudrehen, tief hineinzugreifen und sein Herz mit einem einzigen Schnitt in einen blutrot sprudelnden Springbrunnen zu verwandeln. Sie zitterte vor Erregung – und war erstaunt über sich selbst, als ihre Hand sich entspannte, sodass ihr die Waffe von den Fingern glitt und einfach zu Boden fiel!
    »Und ich bin genauso eine Idiotin«, stöhnte sie, während sie durch Kleidung und Haut hindurch ihre rot lackierten, rasiermesserscharfen Nägel in seinen bebenden Hals und seinen Rücken senkte.

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