TODESSAAT
aussehende und doch ziemlich einheitlich wirkende Schuttmassen hinweg – jedenfalls schienen sie bestrebt, einheitlich auszusehen. »Als der Unfall passiert ist«, erklärte er, »wurde die Materie elastisch und geriet ins Fließen. Ein Schmelztiegel, allerdings ohne Hitzeentwicklung. Na ja, ein bisschen warm ist es schon geworden, stellenweise sogar ganz schön heiß. Aber das waren in der Hauptsache chemische Reaktionen oder nukleare Rückstände. Es hatte wenig damit zu tun, wie Fels, Gummi, Plastik, Metall, Fleisch und Knochen zu dem hier zusammenschmolzen. Das war eine ganz andere Art von Hitze, die frei wurde, als das Tor entstanden ist. Wie Sie sehen, entsteht an der Schnittstelle zweier Universen ein furchtbares Chaos.«
Unvermittelt streifte der huschende Lichtstrahl etwas an der Wand und kehrte sofort wieder dahin zurück. Szalnys »Zyste«, eine dünne, eierschalenartige Hülle aus Magmassegestein, die dort wie eine menschengroße Blase hing. Sie war aufgebrochen, und eine schwarze Flüssigkeit tropfte aus ihr auf den albtraumhaften Boden. Obwohl etwaige Giftstoffe von ihren Gasmasken gefiltert wurden, konnten sie den Geruch wahrnehmen. Ihre Bewegungen und der Widerhall von Luchovs Stimme hatten die Zyste verrutschen lassen. Noch während sie die Szene aus aufgerissenen Augen verfolgten, glitten klebrig-feuchte, schwarze Knochen daraus hervor.
Anschließend ...
... kam der Major erst wieder zum Stehen, als er keuchend aus dem Wurmloch in die gleißende Helle des Kerns kletterte. Am Fuß der Leiter hielt er schließlich inne, setzte die Gasmaske ab und übergab sich. Luchov, der ihm gefolgt war, blieb in sicherer Entfernung stehen und sah ihm zu. Als der junge Offizier endlich aufhörte, doch weiter dort kniete und wie ein nasser Lappen an den unteren Sprossen der Leiter hing, sagte der Projektdirektor: »Jetzt fangen Sie wohl an zu begreifen. Jetzt haben Sie eine Vorstellung davon, was für ein Grauen sich hier abgespielt hat, was sich in der Atmosphäre dieses Ortes, ja sogar in den Wänden festgesetzt hat! Hier unten, eingeschlossen von der Magmasse, an anderen Stellen zugemauert von Männern, die den Anblick nicht ertragen konnten, herrscht das Grauen. Hm, aber da oben« – er hob den Blick zum Rund der einander überlappenden Platten der stählernen Scheibe – »auf der anderen Seite dieses Zyklopentores, das so irrsinnig leuchtet, wartet noch viel mehr davon. Eine ganze Welt voller Grauen, das, soweit wir wissen, noch immer aktiv ist!«
Der Major wischte sich den Mund ab.
»Ich habe es Ihnen an den Augen angesehen, dass Sie gedacht haben, ich sei übergeschnappt«, sagte Luchov. »Nun, natürlich bin ich übergeschnappt! Glauben Sie vielleicht, ich wäre hier, wenn ich sie noch alle hätte?«
Der Major hustete in die vorgehaltene Hand und murmelte: »Mein Gott! Mein Gott!«
Luchov nickte und sagte ohne jede Bosheit: »Ein schöner Gedanke ... Aber was hat Er denn mit diesem Ort hier zu tun?« Er schüttelte den Kopf. »Herzlich wenig, fürchte ich. Und je länger Sie hier sind, desto gottverlassener wird das Ganze.«
Der andere unternahm noch nicht einmal den Versuch, zu antworten. Stattdessen klammerte er sich weiter an die Sprossen der Leiter ...
Unter dem Krater eines uralten Vulkans, dem unterirdischen Perchorsk gar nicht so unähnlich und doch ein ganzes Universum weit weg, hatte der ungeheure Lord Shaitan seit undenklichen Zeiten seine Heimstatt. Hier hatte sein Nachkomme Shaithis von den Wamphyri ihn erst vor vier Jahren entdeckt – quicklebendig und noch immer voller Ränke. Es war ein Ort voller wurmlochartiger Lavaströme, an dessen Schwefelwänden sich vor Ewigkeiten überhitztes Gas ausgedehnt und den Berg wie einen Schweizer Käse mit Höhlen durchzogen hatte. Das flüssige Innere des Planeten hatte sich mit Gewalt ein wahres Spinnennetz an Kanälen durch den porösen Fels gebahnt, ehe es erstarrt war.
Nun stand Shaithis – hoch gewachsen, doch gegenüber den dunklen, steil aufragenden Zacken der eingestürzten Kraterwände auf dramatische Weise unbedeutend – wie eine Statue am Lavarand des alten Bergkegels unter dem zuckenden Nordlicht, in dem hin und wieder ein sterbender Meteorit seine Spur zog. Während er angestrengt nach Süden auf einen weit entfernten, kaum wahrnehmbaren Horizont starrte, rief er sich die wesentlichen Ereignisse der vergangenen vier Jahre ins Gedächtnis: wie sie verstrichen waren, was er gesehen und erfahren hatte und welchen Stand die Planungen
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