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Todessaat

Titel: Todessaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Arnout Smith
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in den patriotischen Gesang ein: The Star Spangled Banner . Kanonenschläge donnerten; Kunstschnee rieselte herab, dann war die Vorstellung zu Ende. Sie ging zurück in die Halle und wartete.
    Die Follies-Damen bewegten sich leichtfüßig und elegant.
    Stammgäste trotteten die Gänge entlang. Das Geräusch von Menschen war vom Kratzen der Rollstühle unterlegt. Die Gänge waren verstopft.
    Ein männlicher Follies-Darsteller mit dicken gelblichweißen Koteletten kam aus einer Seitentür in den Eingangsbereich, warf einen kurzen Blick auf Grace und grinste.
    »Also, was denken Sie?«
    »Ich denke, Sie sind wirklich beeindruckend«, gab sie ehrlich zu.
    »Oh, dann kommen Sie doch mit zu mir nach Hause.«
    »Danke, ich werde darauf zurückkommen. Wo steht Jewel normalerweise?«
    Er zeigte auf eine Tür, die der Theaterbar am nächsten war, dann drehte er sich zur ersten Follies-Dame um, die aus der Tür kam, und begrüßte sie.
    Grace suchte sich einen guten Platz und wartete. Jewel glitt über den Boden, fünfzehn Zentimeter größer als das Publikum, das sich um sie drängte. Sie schüttelte einigen älteren Damen und einem älteren Herrn die Hand, bevor dieser von seiner Gattin weggezogen wurde. Jewel wandte sich an Grace. Sie hatte hellbraune Augen, und aus der Nähe
erkannte man tiefe Falten in ihrem Dekollete. Sie streckte die Hand aus.
    Grace schüttelte sie. »Wirklich bemerkenswert, achtmal die Woche eine zweieinhalb Stunden lange Vorstellung zu geben.«
    »Danke sehr«, erwiderte Jewel voller Wärme und wandte sich bereits der nächsten Zuschauerin zu.
    Grace drückte ihre Hand fester. »Eigentlich bin ich vom FBI. Ich muss mit Ihnen über Professor Bartholomew sprechen.«
    Jewels Hand verkrampfte sich, aber ihr Lächeln blieb intakt und strahlend. »Sie halten die Leute auf.«
    »Ich werde hier so lange wie nötig bleiben.«
    Jewels Blick wanderte zur nächsten Person in der Schlange; eine kräftige, kleine Frau, die gute Laufschuhe und eine glitzernde Brille trug. »Ich bin gleich bei Ihnen.«
    Sie wandte sich wieder Grace zu.
    »Geben Sie mir fünf Minuten.«
     
    Grace folgte Jewel eine beleuchtete Treppe hinunter, die direkt unter die Bühne führte. Sie kamen an Männern mit Schutzhelmen vorbei, die Metallleitern gegen das Wirrwarr der Seile lehnten. Eine Frau in einem Sweater eilte mit einem Stapel lila Paillettenjacketts an ihnen vorbei. Schließlich quetschten sie sich an einer schwarz gekleideten Jugendlichen vorbei, die einen Wäschekorb mit schmutzigen Turnanzügen trug.
    Die Tür zur Männerumkleide stand offen, und Grace warf einen verstohlenen Blick hinein. Ein Tänzer hatte sein Satinhemd ausgezogen, sodass man seine weißen Haare auf der Brust sehen konnte.
    Jewel lief weiter, die Schuhe klopften sanft auf den Niedrigflorteppich. Ihr blauer, mit Pailletten besetzter Rock raschelte, und von hinten konnte man rote und weiße Glitzerstreifen
ausmachen. Der Rock selbst reichte kaum über ihren Po.
    Sie öffnete eine Tür. Ein Spiegel dehnte die Länge des Zimmers. Offene Make-up-Dosen und Schminktöpfe sowie Lippenstiftröhrchen lagen wild verstreut auf dem Waschtisch. Leere Augen starrten auf Grace herunter. Erschrocken trat sie einen Schritt zurück.
    Es waren Styroporköpfe, unheimliche Silhouetten lächelnder, unsichtbarer Frauen, die Perücken trugen: silberne Turmfrisuren, schwarze, schulterlange Kleopatrahaare, glänzendes Pink. Jewel nahm die blaue Armeekappe ab und legte sie auf ein Regal über ihrer Arbeitsfläche, zog die blaue Perücke ab und drapierte sie auf einem der Köpfe.
    Jewels echtes Haar war hellbraun, von der Perücke in kleine Locken flach gedrückt. Sie setzte sich auf einen Stuhl, legte die Beine übereinander und blickte Grace an.
    »Reden Sie. Sie haben maximal drei Minuten, bevor hier alle hereingestürmt kommen.« Sie beugte sich nach vorn und hustete in die Hand. »Entschuldigung. Meine Lungen.«
    »Sie trafen sich mit Bartholomew, bevor er starb.«
    Jewel seufzte. Sie drehte den Stuhl und sah in den Spiegel. Ein Tiegel mit Feuchtigkeitscreme stand neben einer Schachtel Kosmetiktücher. Sie gab etwas von der Creme auf ein Tuch und wischte sich vorsichtig den Lippenstift ab.
    Grace betrachtete sie im Spiegel. Ihre verzögerte Antwort hatte nichts Berechnendes, zeugte lediglich von Müdigkeit. Sie warf das benutzte Tuch in den Mülleimer und drehte sich wieder um.
    »Sie haben doch das Ende der Vorstellung gesehen?«
    Grace nickte.
    »Das ist der Dreh- und Angelpunkt.

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