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Todessaat

Titel: Todessaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Arnout Smith
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holte wieder tief Luft und zuckte zusammen.
    »Geht es Ihnen gut?«
    Jewel blickte zur Tür. Auf dem Flur waren mittlerweile Menschen, die sich unterhielten und näher kamen.
    »Lassen Sie uns noch mal darüber sprechen, dass er Sie nicht erkannte. Er war hier, hat sich die Vorstellung angesehen, Sie getroffen, und jedes Mal hat es sich so angefühlt, als träfe er Sie zum ersten Mal.«
    »Als ich bemerkte, wer er war, dachte ich, es sei die Gelegenheit, meinen Sohn endlich zu verstehen, aber Bartholomews Einstellung machte mich wütend und traurig. Er hasste alles rund um das Militär - alles, was diese Männer in ihrem Dienst getan hatten. Ich sah nur noch diese
Männer vor mir, die am Ende ihrer Kräfte waren, klein, gebrechlich und stolz. Ich ging ein paarmal einen Kaffee mit ihm trinken, das ist alles. Manche Menschen strahlen diese seltsame Energie aus - und Ted Bartholomew war einer von ihnen.«
    »Seltsam. In welcher Weise?«
    Jewel sah erneut zur Tür, beugte sich zu Grace und flüsterte nur noch. »Er hielt sich für den freundlichen Professor; für einen Intellektuellen, nicht für einen Aktivisten. In seinen Selbstgesprächen hat er - glaube ich - so etwas von sich gedacht.«
    »Selbstgespräche?«
    »Ja, Sie wissen doch, dieser stete Gedankenstrom in Ihrem Geist, dieses emotionale Konfetti, das uns sagt, was uns ausmacht. Ob es wahr ist oder nicht. Ich glaube, er sah sich als nachdenklichen, artikulierten...«
    »Entschuldigen Sie, dass ich drängele...« Sie hatten nur Sekunden, bevor sie unterbrochen wurden.
    Jewel nickte. »Ich habe ihn gegoogelt und bin auf alles Mögliche gestoßen. Proteste, Inhaftierungen. Und dann war da noch diese andere Sache. Schließlich habe ich Nate gefragt, was es damit auf sich hat.«
    Gelächter erklang vor der Tür, ein Mann und eine Frau unterhielten sich. Grace konnte sich vorstellen, wie eine Hand auf den Türknauf gelegt wurde, wie sich ein Körper abwandte, der letzte Satz beendet, der Knauf gedreht wurde und jemand ins Zimmer spazierte.
    »Was hatte es damit auf sich?«
    »Professor Bartholomew hatte ein Problem damit, Gesichter zu erkennen. Er konnte einwandfrei Leute erkennen, die er schon lange zu seinen Bekannten zählte. Nate sagte, dass er immer einen Spickzettel auf dem Schreibtisch liegen hatte. Grüne Punkte neben Gesichtern von freundlichen Menschen, rote Schrägstriche bei Leuten, bei denen man vorsichtig
sein musste; daneben standen die Namen. Als Erstes hatte er ein Foto von mir geschossen, aber ich hatte mir nichts dabei gedacht. Alle machen Fotos.«
    »Wusste sonst noch jemand davon?«
    »Ich denke nicht. Er wäre gestorben, wenn er erfahren hätte, dass ich es wusste.«
    Sie bemerkte, was sie gerade gesagt hatte, und blinzelte.
    »Ist schon in Ordnung. Ich weiß, was Sie meinen.«
    »Nate sagt, dass es Professor Bartholomew - Ted - peinlich war. Auch er hatte es nur zufällig herausgefunden. Der Zettel lag bei der Arbeit auf dem Tisch; viele kleine Fotos, alle aufgereiht wie in einem Highschooljahrbuch oder so, und Ted prägte sie sich ein wie für eine Prüfung.«
    »Was passierte damit?«
    »Mit dem Spickzettel? Als Bartholomew starb, hat Nate als Erstes diesen Zettel an sich genommen. Er sagte mir, dies sei der letzte Gnadenakt, den er einem Freund erweisen konnte. Um ihn zu schützen.«
    »Wo ist Nate?«
    »Warum?«
    »Nicht jetzt, in ein paar Stunden.«
    Jewel musterte sie mit scharfem Blick. »Sie werden ihn nicht angreifen.«
    »Ich bin vielleicht die einzige Chance, die Ihr Sohn hat, lebend aus dieser Sache herauszukommen.«

28
    G race fuhr, so schnell sie es auf dieser Straϐe wagte, nach Indio. Ihre Anspannung hatte sich in Wut verwandelt, die auch leicht zu einem aggressiven Fahrstil hätte werden können, nur dass sie keiner herausforderte. Am Himmel ging allmählich die Sonne unter. Es war bereits nach vier Uhr, und eine leichte, verwaschene Farbschicht lag auf den San Georgonio Mountains. Schon bald würde es dunkel werden.
    Sie fühlte sich schwach und klein. Sie wollte sich nicht verantwortlich für ihre Cousine fühlen, und doch tat sie es. Das Glück ihrer Cousine - ihr Ehemann neben ihr, während sie ihren perfekten kleinen Jungen zur Welt bringt - schien in Graces Händen zu liegen. Es war eine Last, um die sie nicht gebeten hatte und die sie nicht wollte.
    Sie war nicht gemacht für ein glückliches Ende. Nicht in ihrem eigenen Leben und nicht bei anderen.
    Schließlich musste sie an Jewel denken. Jeder war mit irgendjemandem

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