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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Ebenbild lächelte und den Arm um seine Schwester legte.
    Margeir beugte sich über den Tisch und antwortete:
    »Bylgja.«
    »Trug sie immer diese Brille?« Dóra zeigte auf das feuerrote Brillengestell auf der Nase des Kindes.
    »Ja, sie waren sich sehr ähnlich, aber Bylgja war kurzsichtig. Sie trug die Brille nicht gerne, war aber zu jung für Kontaktlinsen, und eine Laseroperation kam auch noch nicht in Frage. Ihre Mutter hat sich große Mühe gegeben, eine Brille zu finden, mit der sie sich anfreunden konnte. Sieht keck aus, finden Sie nicht?«
    Dóra lächelte dumpf und nickte. Margeir schien ihre Verwunderung nicht zu bemerken und fuhr fort:
    »Aber es gibt nicht viele Fotos von ihr mit Brille. Sie hat sie meistens abgesetzt, wenn sie fotografiert wurde. Deshalb mag ich dieses Foto sehr. Es zeigt sie, wie sie wirklich war.«
    Dóra musterte das Foto noch einmal und gab Margeir dann schweigend die Geldbörse zurück. Das rote Brillengestell war eindeutig dasselbe, das sie im Schrank auf der Yacht gefunden hatte. Wie war es dorthin gelangt? Warum kletterte ein Kind in einen Schrank? Zweifellos um sich zu verstecken, fragte sich nur, vor wem?

22. Kapitel
    »Ich will niemanden veräppeln, sie war da!«
    Dóra stand schamrot hinter dem Polizisten, der, das Hinterteil in die Luft gereckt, in dem Designerschrank herumkramte. Der angenehme Geruch von Zitrushölzern änderte nichts an ihrem Unwohlsein, ebenso wenig wie die verspiegelten Kleiderschranktüren, in denen sie ihr betretenes Gesicht sah.
    »Es war ein rot-orangenes langes Kleid, und die Brille hing an den Fransen am Saum.«
    »Kann es sein, dass Sie sich bei der Farbe vertan haben?«, fragte der Polizist mit erstickter Stimme. Sein Kopf steckte zwischen den Abendkleidern in dem prallvollen Schrank.
    »Nein, ganz bestimmt nicht. Ich dachte nämlich noch, dass die Brille bestimmt niemandem aufgefallen ist, weil sie eine ähnliche Farbe hat wie das Kleid. Aber ich hatte immer nur Karítas im Kopf. Ich bin überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass die Brille wichtig sein könnte.«
    Der Polizist entgegnete nichts und wühlte weiter zwischen den Kleidern herum.
    »Ich dachte, die Brille sei im Schrank gelandet, als die Yacht noch dem Ehepaar gehörte«, fügte Dóra hinzu.
    Ungelenk kam der Polizist wieder auf die Beine.
    »Sie hätten uns sofort informieren sollen.«
    Dóra pustete sich genervt die Ponyhaare aus den Augen. Das hatte der Mann schon mindestens zehnmal gesagt, seit sie ihn bei der Yacht getroffen hatte, ebenso wie sein Kollege, dem sie von der Brille erzählt hatte. Sie vermisste ihren Polizeifreund, der wieder angefangen hatte zu rauchen, und vermutete, dass diese beiden zu denen gehörten, die er zusammengestaucht hatte, weil sie Halldórs Leiche übersehen hatten. Das würde erklären, warum sie sie so unfreundlich behandelten – jetzt waren sie endlich selbst in der Position, andere abzukanzeln.
    »Ich hab doch schon gesagt, dass ich es vergessen habe. Der Zusammenhang ist mir erst heute Morgen klar geworden, als ich das Foto von dem Mädchen mit der Brille auf der Nase gesehen habe. Auf den anderen Fotos trug sie keine Brille. Ich fand das so nebensächlich, dass ich noch nicht mal nach der Brille geschaut habe, als ich das zweite Mal an Bord war. Obwohl ich da den Schrank aufgemacht habe.«
    »Sie hätten uns trotzdem informieren sollen. Es ist nicht an Ihnen, zu beurteilen, was wichtig ist und was nicht.«
    »Nein, da haben Sie vollkommen recht.«
    Dóra biss sich auf die Lippen und versuchte, sich zu beruhigen. Sie spürte einen leichten Schwindel, eine Vorankündigung von üblen Kopfschmerzen, und wollte schleunigst von Bord. Sie taugte wirklich nicht für die Seefahrt, wenn sie schon im Hafen seekrank wurde.
    »Natürlich hätte ich Sie anrufen und Ihnen alles, was ich gesehen habe, genau beschreiben sollen. Das wäre bestimmt am besten gewesen, oder? Ich erinnere mich zum Beispiel, im Bad Handtücher gesehen zu haben. Zwei, um genau zu sein. Aber ich habe leider vergessen, Ihnen das mitzuteilen.«
    Der Polizist richtete sich ganz auf, und obwohl Dóra groß war, überragte er sie. Das Zimmer war zwar elegant, aber ziemlich niedrig, so dass der Kerl noch riesenhafter wirkte.
    »Sparen Sie sich Ihren Sarkasmus«, sagte er.
    »Schon gut.« Dóra versuchte etwas zu sagen, das die Atmosphäre lockerte, weil sie ihr positives Verhältnis zur Polizei nicht aufs Spiel setzen wollte. »Ich verstehe wirklich nicht, was mit dem Kleid passiert

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