Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
darüber sagte. »Aber das wird bestimmt bald ans Licht kommen.«
»Verstehe«, sagte Snævar skeptisch.
»Haben Sie eine Idee, wie sich das alles zugetragen haben könnte?«
»Nein.« Er merkte, dass er halb in seinem Stuhl hing, und setzte sich wieder auf. »Ich habe natürlich viel darüber nachgedacht. Da muss eins zum anderen gekommen sein. Zwei von drei Mannschaftsmitgliedern sind tot, und vielleicht ist der Kapitän auch gestorben, und die Familie hat daraufhin die folgenschwere, völlig falsche Entscheidung getroffen, die Yacht zu verlassen.«
Snævar winkte abwehrend mit der Hand und fügte hinzu:
»Aber das ergibt alles keinen Sinn. Wer hat dann den Autopiloten eingeschaltet, die Yacht zur Küste von Grótta und dann in den Hafen fahren lassen? Wohl kaum dieses Ehepaar.«
Dóra hatte sich mit den Anforderungen für den Sportbootführerschein vertraut gemacht und war zu dem Schluss gekommen, dass Ægir bei dem Kurs unmöglich etwas über automatische Steuerungen gelernt haben konnte. Natürlich war es denkbar, dass jemand aus der Mannschaft ihm oder seiner Frau das Gerät erklärt hatte, aber warum hätten sie die Yacht nach Grótta lenken sollen? Das einzig Vernünftige wäre gewesen, sie direkt in den Hafen zu dirigieren. In ihrem Kopf wirbelte alles durcheinander. Zu viele unbeantwortete Fragen und massenweise Vermutungen.
»Noch eine Frage, Snævar«, sagte sie.
Der junge Mann schaute sie erwartungsvoll an, als wünsche er sich sehnlich, eine Antwort geben zu können.
»Ist es möglich, dass ein blinder Passagier an Bord war?«
Snævar lächelte, als könne er das eindeutig beantworten. Doch so war es nicht:
»Ich bezweifle es, kann es aber auch nicht völlig ausschließen. Er müsste jedenfalls verdammt clever sein. Und leise. Auf solchen Booten wird jeder Winkel genutzt, er müsste verdammtes Glück gehabt haben, nicht entdeckt zu werden. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass sich ein blinder Passagier in einer leeren Kabine versteckt hat. Der müsste allerdings Nerven wie Drahtseile gehabt haben, so ein Risiko einzugehen.«
»Und im Maschinenraum oder in den Vorratskammern? Kann man sich da nirgendwo verstecken?«
»Es gibt natürlich jede Menge Stellen. Nur nicht unten im Maschinenraum, da wird ja alles Mögliche regelmäßig kontrolliert. Wenn ich mich auf der Yacht verstecken müsste, würde ich mich so weit wie möglich vom Maschinenraum und von der Brücke fernhalten. Da würde man ziemlich sicher entdeckt.«
»Mit ein bisschen Glück wäre es also möglich?«
»Ja … doch, wenn man die Yacht gut kennt. Doch, wahrscheinlich schon«, antwortete Snævar und rückte sein verletztes Bein zurecht, das ihm anscheinend Schmerzen verursachte. »Aber wer hätte das sein sollen? Und warum in aller Welt?«
»Keine Ahnung.«
Wenn ein blinder Passagier an Bord gewesen war, musste er etwas mit den Vorbesitzern zu tun haben. Alles andere ergab keinen Sinn. Aldís, Karítas oder ihr Ehemann Gulam. Oder jemand, den er beauftragt hatte, die Yacht zurückzuholen. Was allerdings unwahrscheinlich war, da sie nicht viel damit anfangen konnten, wenn sie gestohlen war.
»Überhaupt keine Ahnung.«
Nachdem Snævar gegangen war, kam Bella herein und setzte sich Dóra gegenüber.
»Wir kriegen den Kopierer nicht vor dem Wochenende zurück, aber wärst du bereit, den neuen Internetanschluss im Tausch gegen Infos über Aldís zu installieren?«, fragte sie.
»Was?« Dóra lehnte sich über den Tisch. »Woher hast du die denn?«
»Ich hab mit einer Frau telefoniert, die mit ihr zusammengearbeitet hat, bevor sie den Job bei Karítas angenommen hat. Fast so eine Freundin von ihr.«
»Und wo hast du die gefunden?«
»Ich hab einfach ihre Mutter angerufen und gefragt, ob sie Kontakt zu Aldís’ Freunden hätte, wir müssten sie dringend erreichen. Da hat sie mir den Namen der Freundin gesagt, und ich hab ihre Nummer rausgesucht.«
»Bella, das hast du doch eben hier im Büro gemacht. Ich muss dich nicht bestechen, damit du deinen Job erfüllst. Außerdem haben Bragi und ich letztens beschlossen, dass wir keine schnellere Internetverbindung brauchen. Und diese Entscheidung werden wir frühestens in zehn Jahren überdenken.« Letzteres war eine Lüge, der Dóra nicht widerstehen konnte. »Tut mir leid.«
Bella machte Anstalten, aufzustehen.
»Okay, kein Problem.«
»Du kannst jetzt nicht gehen. Sag mir, was die Freundin gesagt hat!«
»Welche Freundin? Ich weiß gar nicht, wovon du redest. Frag
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