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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Tränen, doch eine tropfte auf Láras Gesicht, floss an ihrer runden Wange hinab und vereinigte sich mit der Blutlache. Sie schloss die Augen ganz, und er raffte sich auf, bevor er endgültig zusammenbrach. Das konnte er sich wegen der Mädchen nicht erlauben. Zwei Schritte, und Lára war aus seinem Blickfeld verschwunden.
    Ægirs Füße waren schwer wie Blei, und seine Schritte wurden immer schleppender, je näher er der Tür zur Brücke kam. Sein Gehirn produzierte alle möglichen Horrorbilder von Arna und Bylgja, die in glänzenden Blutlachen auf dem Boden lagen. Auf diesen Bildern waren die beiden Blutlachen genau gleich, seine Töchter Zwillinge bis zum letzten Moment. Übelkeit vermischte sich mit einem Schmerz in seiner Brust, der ein Anzeichen eines bevorstehenden Herzinfarkts hätte sein können. Wenn den Mädchen auch etwas zugestoßen war, wäre er froh, sterben zu dürfen.
    Doch so war es nicht, und das Ziehen in seiner Brust ließ nach, und er wurde von so unbändiger Freude erfüllt, dass ihm schwindelte.
    Arna und Bylgja standen zusammen ganz hinten auf der Brücke, Verständnislosigkeit und panische Angst in den großen, starrenden Augen. Sie liefen nicht in seine Arme, wie er erwartet und gehofft hatte. Ægir hatte das brennende Verlangen, sie fest zu umarmen und sein Gesicht in ihren weichen Haaren zu vergraben, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Sich vor dem zu verstecken, was geschah und was er nicht länger bewältigen konnte. Langsam schloss er die Tür hinter sich und versuchte krampfhaft, Ruhe zu bewahren.
    »Seid ihr verletzt, Mädchen?«
    Seine Stimme klang auf absurde Weise normal, als hätten sie gerade auf einer Wiese miteinander gespielt. Die Augen der Mädchen wurden noch größer, und er merkte, wie seine Erscheinung auf sie wirken musste.
    »Þráinn und Halli kümmern sich um Mama. Es wird alles gut.« Er hatte seine Töchter noch nie so angelogen. »Seid ihr verletzt?«
    Die Mädchen schüttelten gleichzeitig den Kopf und entspannten sich ein wenig.
    »Wo ist Mama? Warum ist sie nicht bei dir?«, fragte Arna schluchzend.
    »Mama hat sich verletzt, und Halli und Þráinn helfen ihr.«
    Ægir sah eine schreckliche Zukunft vor sich. Eine Zukunft ohne Lára. Irrwitzige Fragen schossen ihm durch den Kopf: Wer würde den Mädchen die Haare kämmen? Wer würde ihnen helfen, Kleider für einen Geburtstag auszusuchen? Es überstieg seine Kräfte, normal und überzeugend zu wirken.
    »Aber es wird alles gut. Wenn ihr unverletzt seid, wird alles gut.«
    Er ging zu ihnen und merkte, dass sie ihm immer noch nicht ins Gesicht schauten, ihre Augen hingen an seinen blutdurchtränkten Klamotten.
    »Warum hatte Mama eine Pistole, Papa?«, fragte Bylgja und weinte geräuschlos. Ihre Tränen waren nicht von Schluchzen begleitet, sie strömten einfach nur über ihre Wangen, bis sie einen Strom aus Trauer und Angst bildeten.
    »Für den Fall, dass jemand Böses kommt, mein Schatz. Die Pistole war zur Verteidigung. Um euch und Mama zu schützen.«
    Er war bei den Mädchen angelangt und beugte sich zu ihnen hinunter, damit er sie anblicken konnte. Auch wenn er am liebsten über ihre Köpfe hingweggeschaut hätte, um die Verwirrung in ihren Augen nicht sehen zu müssen, hatten sie es verdient, dass er sie nicht enttäuschte.
    »Was ist als Erstes passiert? Habt ihr es gesehen?«
    Die Mädchen redeten aufgeregt durcheinander, und Ægir konnte unmöglich verstehen, was sie sagten. Ihre Worte waren atemlos, von Hicksen und Schluchzen unterbrochen.
    »Da ist was gegen die Tür geschlagen, Mama hat eine Pistole aus der Hose gezogen, hat auf die Tür gezielt, aber es war nur irgendein Teil, sie hat uns angelächelt, hat gesagt, sie wäre nervös, wir haben nichts gesagt, haben nur die Pistole angeguckt, Mama war ganz komisch, wollte sie wieder einstecken, als … peng, Mamas Augen sind so groß geworden, da war nur noch Weißes drin, wie zwei Riesenkaugummikugeln, dann hat sie gehustet, hat sich an den Bauch gefasst, hat gesagt, wir sollen hier warten. Sie ist rausgelaufen, und alles war voller Blut.«
    Die Mädchen zeigten auf eine Blutspur, die sich von der Stelle, an der sich der Schuss gelöst hatte, bis zur Tür zog. Die Tropfen waren unter Ægirs Schuhen kleben geblieben, als er zu seinen Töchtern gegangen war – er hatte so viel Blut gesehen, dass er das bisschen gar nicht mehr bemerkt hatte.
    »Mama hat sich am Bauch verletzt, Mädchen«, sagte Ægir.
    Er spürte, wie seine Mundhöhle

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