Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
das waren gute Neuigkeiten.
»Er hat diese hohe Lebensversicherung also abgeschlossen, um nicht schlechter dazustehen als die anderen?«
»Ja, und er konnte es sich leisten. Ein Vermögen nach dem eigenen Tod.«
25. Kapitel
Lára wirkte in der schwarzen Pfütze auf dem kalten Stahldeck winzigklein. Von der Brücke zog sich eine Blutspur zu ihrem gekrümmten Körper. Nachdem Ægir sie erblickt und bis er gemerkt hatte, dass sie unregelmäßig atmete, war es, als sei die Welt ausgeknipst worden. Alle Geräusche verschwanden, wie unter Wasser, und obwohl er Þráinn und Halli rufen sah, verstand er nicht, was sie schrien, und fand es auch nicht wichtig. Er dachte nur darüber nach, wie er das Blut zurück in Láras Körper bekommen konnte, kniete auf allen vieren und versuchte, es zusammenzuwischen, nur um sehen zu müssen, wie es bei dem starken Wellengang wieder von ihm wegfloss.
»Gib ihm eine Ohrfeige!« Die Worte waren so weit weg, als kämen sie aus dem Jenseits, und Ægir hatte keine Ahnung, wer sie sagte. »Nun mach schon!«
Er ließ sich nicht davon stören und fing das Blut weiter mit den Händen auf. Ihn ging das nichts an, er musste sein Werk vollbringen. Als er an der Schulter gepackt und brutal auf die Knie gerissen wurde, kam er zu sich, und es war, als würden die Geräusche wieder eingeschaltet. Zumindest laut genug, um zu hören, wie eine flache Hand mit voller Wucht gegen seine Wange schlug.
»Weg hier, du bist im Weg! Reiß dich zusammen oder hau ab!«, schrie Halli ihn an und stieß ihn heftig zur Seite. Ægir fiel hin, stützte sich mit dem Ellbogen ab und blieb dann verwirrt mit ausgestreckten Beinen auf dem Deck sitzen. Hallis Gesicht kam so nah an ihn heran, dass es vor seinen Augen verschwamm. Doch er sah genug, um zu merken, wie wütend er war. Halli packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn:
»Reiß dich zusammen, hab ich gesagt!«
»Das reicht, hilf mir!« Þráinns Stimme klang nicht nur müde, sondern resigniert, was Ægir endlich zurück in die Wirklichkeit katapultierte. »Lass ihn in Ruhe und pack mit an.«
Ægir atmete tief durch und setzte sich so, dass er sehen konnte, was die Männer machten. Einen Moment lang hätte er sie fast angebrüllt, nicht durch das Blut zu laufen, weil Lára es brauche. Doch der Moment ging vorüber, und stattdessen konzentrierte er sich darauf, zu atmen, was eher den Anschein erweckte, als trinke er in großen, gierigen Zügen Wasser. Er starrte erst auf die schwarzgefärbten Knie der Jeanshosen der Männer, dann auf sich selbst und sah, dass seine Kleidung blutgetränkt war.
»Oh Gott, oh mein Gott.«
»Sei still!«
Als Halli sich von Lára abwandte, um ihn anzuherrschen, sah Ægir, was die beiden machten. Sie hatten Lára auf den Rücken gedreht, und der Kapitän presste beide Hände auf ihren Bauch, anscheinend mit seinem vollen Gewicht. Seine Hände waren dunkel, und durch seine gespreizten Finger floss noch mehr Blut. Ægir schwindelte, doch diesmal überfiel ihn nicht dieselbe Panik wie vorher. Er musste einen klaren Kopf bekommen. Halli drehte sich sofort wieder zu Lára und Þráinn, so dass Ægir nicht sehen konnte, was weiter geschah. Er wollte es auch nicht wirklich sehen, denn es war so furchtbar, dass es brannte. Es war, als würde er in Stücke gerissen – das Verlangen, mitzuverfolgen, was passierte, war genauso stark wie das Verlangen, die Augen zu schließen und so zu tun, als sei nichts geschehen. Da wandte Þráinn seinen Blick von Lára ab, drehte sich um und schaute Ægir in die Augen.
»Bist du in Ordnung?«
Ægir wollte bejahen, doch aus seiner Kehle kam nur ein unverständliches Röcheln.
»Reiß dich zusammen, Mann«, sagte Þráinn wütend, und Ægir wurde von Scham gepackt. Er ließ seine schwerverletzte Frau im Stich. »Geh zu den Mädchen! Halli und ich können das nicht. Hoffentlich sind sie noch auf der Brücke.«
Ægir stolperte auf die Füße, rutschte auf dem dicken Blut aus und wäre fast auf die Männer gefallen, die sich seiner Frau annahmen. Obwohl er wusste, dass er sich sofort um die Mädchen kümmern musste, hielt er einen Moment inne. Er beugte sich wankend über die Männer, um Láras Gesicht sehen zu können. Es war ihm zugewandt, doch ihre halbgeschlossenen Augen blickten ihn nicht an. Ihr Gesicht war gräulich, und auf ihren Lippen bildete sich bei jedem flachen Atemzug eine Blase aus Blut, die sich mit Luft füllte und platzte, mit Luft füllte und platzte. Ægir kämpfte mit den
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