Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
Hause genommen. Alles Wichtige muss hier sein, und wir haben Ihnen und der Polizei alles kopiert, was nicht unter das Bankgeheimnis fällt. Die Finanzsituation der Vorbesitzer ist für Ihren Fall wohl kaum von Belang. Kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen.«
Dóra lächelte ihn freundlich an und leerte ihre Kaffeetasse.
»Können Sie herausfinden, ob Ægir bei Karítas’ Nummer angerufen hat? Das müsste er ja von hier aus gemacht haben, wenn es beruflich war.«
»Tja, ich weiß nicht. Normalerweise führen wir keine Listen über die Telefonate, aber die Telefonrechnungen sind aufgeteilt, und manchmal werden lange, teure Gespräche den Projekten zugeordnet. Ich kann das überprüfen lassen, wenn Sie wollen. Es hängt aber ein bisschen davon ab, wie beschäftigt unsere Sekretärinnen sind. Ich weiß nicht, ob wir das heute noch schaffen.« Er nahm das Blatt in die Hand. »Darf ich das behalten? Dann muss ich das Original nicht extra raussuchen.«
»Selbstverständlich«, entgegnete Dóra. Sie hoffte, dass kein solches Telefonat stattgefunden hatte. Alles andere würde den Fall nur verkomplizieren, und sie würden wahrscheinlich nie herausfinden, worüber die beiden gesprochen hatten.
»Also dann.« Fannar warf einen kurzen Blick auf die protzige Uhr unter seiner Manschette, die mit einem glänzenden Knopf zusammengehalten wurde. »Ach ja, noch eine Frage. Wurde eine der beiden Personen, die man gefunden hat, erschossen?«
»Erschossen?« Dóra dachte, sie hätte sich verhört. »Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Warum fragen Sie?«
»Ich habe der Polizei eben neue Unterlagen geschickt, die wir gestern erhalten haben. Sie haben sofort ganz aufgeregt angerufen und gefragt, ob wir wüssten, dass es an Bord eine Waffe gegeben hätte, oder ob wir die vor der Abfahrt entfernt hätten. Ich hatte keine Ahnung, von einer Waffe habe ich nie was gehört.«
Dóra auch nicht. Misstrauisch fragte sie:
»Und die Polizei hat nicht gesagt, warum sie das wissen wollte?«
»Nein, sie haben das Gespräch sofort beendet.« Fannar schluckte die Reste des Zuckerwürfels herunter. »Aber es muss mit den Unterlagen zu tun haben, die ich ihnen geschickt habe.«
»Was waren das für Unterlagen?«, fragte Dóra und spürte eine kindische Eifersucht, nicht dieselben Infos erhalten zu haben.
»Ein Gutachten, das wir zur Wertermittlung der Yacht anfertigen lassen haben. Darin steht, dass es auf der Brücke eine Pistole gab. Ich habe mich erkundigt, und es ist offenbar so, dass der Kapitän eine Waffe dabeihaben muss, um sich gegen Piraten verteidigen zu können. Piraten! Stellen Sie sich das mal vor!«
»Ja, die gibt es wohl noch.« Dóra überlegte, ob Piraten das Schiff überfallen und die Leute umgebracht und … und dann? Alles bereut hatten und ins Meer gesprungen waren?
»In der Inventarliste, die ich bekommen habe, stand nichts von einer Pistole. Ist das eine andere Liste?«, fragte sie.
»Ja, die Liste, die Sie haben, stammt aus der Zeit, als die Bank den Kredit für die Yacht gewährt hat. Die war für die Wertermittlung nicht zu gebrauchen. Wir haben die neue Liste erst gestern bekommen. Die Yacht wurde ein paar Tage vor der Abfahrt in Lissabon von einem ausländischen Partner begutachtet, und der hat ziemlich lange gebraucht, um seine Ergebnisse zusammenzufassen.«
Fannar seufzte.
»Nicht, dass uns das noch viel nützen würde. Die Yacht ist beschädigt, nicht nur das Schiff, sondern auch sein Ruf. Es sei denn, Sie stellen ihn wieder her«, sagte er lächelnd.
Dóra lächelte gedankenversunken zurück.
»Könnte ich diese neue Inventarliste bekommen?«
»Kein Problem. Ich habe sie schon für die Polizei kopieren lassen. Ich hatte sie erst eingescannt und zur Wache gemailt, aber die Qualität war nicht gut genug, und sie wollten eine Papierkopie. Ich lasse noch eine für Sie machen.«
Während Dóra am Empfang auf die Liste wartete, erschien ein Polizist, der dasselbe Dokument abholen wollte. Es war der Mann mit den grünen Augen, und falls er es seltsam fand, ihr hier zu begegnen, ließ er sich nichts anmerken. Dóra sprach ihn an, zu ungeduldig, um höflich zu sein, und fragte direkt nach der Pistole. Erst wollte er nichts dazu sagen, änderte dann aber seine Meinung. Die Pistole, die auf der neuen Inventarliste stand, war nicht an Bord gefunden worden. Bei der ersten Durchsuchung der Yacht hatte man zwar ein kleines Kästchen mit Munition auf der Brücke entdeckt, dem aber keine weitere Beachtung
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