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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Angst, nach unten zu gehen. Er hatte Þráinn und Halli auf dem Weg nach oben nicht gesehen, auch nicht während der kurzen Zeit, die sie auf dem unteren Deck standen, in einer Ecke, damit niemand sie von hinten überraschen konnte. Die Yacht fuhr mit voller Fahrt, trotzdem war unklar, ob sich jemand auf der Brücke befand. Die beiden Männer konnten überall sein, und wenn sie ihnen etwas antun wollten, wären sie auf dem Weg nach unten leichte Beute. Ægir bereute es zutiefst, dass er so dumm gewesen war, die Kabine zu verlassen. Seine Müdigkeit hatte sogar noch zugenommen.
    »Können wir nicht was anderes machen? Wenn ich einen Film zum zweiten Mal angucke, fange ich an zu denken. Ich will nicht denken«, erwiderte Bylgja und blickte ihren Vater an. Er konnte es ihr nicht verdenken. Ihm ging es genauso.
    »Wollt ihr malen?«, fragte er. Wenn sie das nicht wollten, wusste er nicht, was er noch vorschlagen sollte. Seine Lider sanken schon wieder nach unten.
    »Ja, ja«, sagte Bylgja, schob ihre Hand in seine und drückte sie. »Nicht schlafen, Papa.«
    »Die Malbücher sind nicht in der Kabine«, sagte Arna und nahm Ægirs andere Hand. Er drückte sie, in der Hoffnung, dass die Mädchen alles spürten, was er ihnen sagen wollte. Oder auch nur merkten, dass er so viel mehr sagen wollte, als er konnte.
    »Wo sind sie denn?«, fragte er.
    »Im Wohnzimmer.« Arna verstummte und starrte ihren Vater an. »Da, wo Mama ist.« Ihre Finger zitterten in seiner Hand. »Ich möchte sie sehen. Ihr einen Abschiedskuss geben. Bylgja auch.«
    Die Mädchen schauten ihn mit traurigen Gesichtern an, und Ægir meinte, Angst darin zu erkennen. Was unter diesen Umständen nichts Ungewöhnliches war, aber es beunruhigte ihn, dass sie anscheinend vor ihm Angst hatten. Er musste wie ein Irrer aussehen.
    »Wir können da nicht rein«, sagte er, ohne darüber nachzudenken. »Das geht nicht. Und Mama ist nicht mehr da.«
    »Wo ist sie denn?«
    Bylgja sah ihn an, und die Tränen kehrten zurück, groß und schwer. Ægir öffnete den Mund, konnte aber nichts sagen. Er wusste nicht, wohin die Männer die Leiche gebracht hatten, falls sie nicht mehr an der Stelle war, wo Lára gestorben war. Er wusste noch nicht einmal, was sie mit Lofturs Leiche gemacht hatten. Ihm schwindelte bei der Vorstellung, dass sie irgendwo nebeneinander lagen, Lára und Loftur.
    »Wird sie ins Meer geworfen, Papa? Wie die Frau, die wir fallen gesehen haben?«
    »Nein.«
    Er fühlte sich, als seien seine Eingeweide eingetrocknet und bildeten Risse. Bald würde er innerlich zerfallen und zu Nichts werden. Er freute sich darauf.
    »Wenn sie vom Schiff geworfen werden soll, wollen wir ihr einen Kuss geben, Papa. Sonst können wir sie nie wieder küssen«, sagte Bylgja. Die Tränen rannen lautlos über ihre Wangen, und ihr ganzes Gesicht glänzte.
    »Gehen wir.«
    Es war, als hätten ihre Worte, dass Lára über Bord geworfen würde, Ægir aufgerüttelt, und plötzlich war seine Müdigkeit wie weggeblasen. Was hatte er nur gedacht? Wo war eigentlich die Pistole? Wollte er diesen Verrückten etwa die Leiche seiner Frau überlassen? Nein!
    »Und wenn die Männer kommen, Papa?« Arna zögerte, aber Ægir achtete nicht darauf und zog sie mit sich. »Du hast gesagt, wir sollen uns vor ihnen verstecken.«
    Auch sie hatte angefangen zu weinen, aber nicht so leise wie ihre Schwester. In ihrem Inneren kämpften die Angst um das eigene Leben und das Verlangen, die Mutter noch ein letztes Mal zu sehen.
    »Es wird alles gut, das verspreche ich euch.«
    Ægir musste ihre Hände loslassen, als er die Tür zum Deck öffnete. Er schob die Mädchen hinein und schloss die Tür leise hinter sich. Dann legte er den Zeigefinger auf seine Lippen. Die Angst in ihren Gesichtern war so erschütternd, dass er am liebsten losgerannt, Halli und Þráinn gesucht und mit bloßen Händen erdrosselt hätte. Scheißegal, ob einer von ihnen unschuldig war. Oder beide. Sie hatten es nicht mehr geschafft, den untersten Teil der Yacht zu durchsuchen, so dass durchaus ein blinder Passagier an Bord sein konnte. Vorsichtig stiegen sie die beiden Stockwerke zum Wohnzimmer hinauf. An der Tür zögerte Ægir, denn er wollte nicht hineinplatzen, ohne zu wissen, welcher Anblick sich ihm bieten würde. Der einzige Weg, das herauszufinden, war, an Deck zu gehen und durch die Fenster ins Wohnzimmer zu spähen. Doch draußen war es noch hell, so dass sie leicht von drinnen zu sehen wären. Ægir schob die Mädchen hinter

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