Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
Auflösungsausschuss, sein Name ist Ægir, mit Ihnen gesprochen hat? Ihre Telefonnummer wurde in seinen Unterlagen gefunden. Haben Sie ihn vielleicht auch gebeten, Sie an Bord zu lassen?«
»Ægir?« Karítas war eine schlechte Schauspielerin, und allen war klar, dass sie keine Gedächtnislücken hatte. »Doch, der Name kommt mir bekannt vor.«
»Er war mit seiner Familie auf der Yacht. Ich arbeite für seine Eltern. Seine Frau und seine beiden kleinen Töchter sind auch verschollen. Es könnte wichtig sein, wenn Sie mit ihm gesprochen haben. Gut möglich, dass die Polizei Sie dazu befragen wird. Ich weiß, dass sie versucht, Sie zu erreichen.«
»Die Polizei?« Endlich richtete sich Karítas auf dem Sofa auf. »Warum wollen die mit mir reden? Ich habe nichts gemacht.«
»Vielleicht, weil eine tote Frau auf der Yacht war. Genauer gesagt, in der Kühltruhe. Man dachte erst, das wären Sie.«
»Wie kommen die denn darauf? Wovon sprechen Sie eigentlich? Eine Frau in einer Kühltruhe?«
»Da war keine Frau in der Kühltruhe, als ich da war«, warf Karítas’ Mutter pikiert ein. »Was ist das denn für ein Unsinn?«
»Ich weiß auch nur, dass die Polizei ermittelt. Ich habe, wie gesagt, nur indirekt damit zu tun. Vielleicht war das auch ein Missverständnis. Aber was sagen Sie zu Ægir? Haben Sie mit ihm gesprochen? Ihn vielleicht in Portugal getroffen? Sie waren wahrscheinlich zur selben Zeit dort.«
Karítas kratzte sich am Hals und hinterließ rote Streifen.
»Nein, ich habe ihn nicht getroffen. Aber ich habe mit ihm telefoniert. Das ist ja wohl kein Verbrechen. Er hat mich sogar angerufen.«
»Ach ja?«, fragte Dóra möglichst freundlich. »War er da schon in Portugal?«
»Nein, hier in Island. Ich habe bei diesem verdammten Auflösungsausschuss angerufen und von der Frau am Empfang erfahren, dass er für die Yacht zuständig ist. Er war nicht da, und ich habe darum gebeten, dass er mich zurückruft, und ihr meine Nummer gegeben. Das hat er gemacht, na und?«
»Und was wollten Sie von ihm?«
»Ich wollte an Bord. Genau wie jetzt. Er hatte die Schlüssel und konnte mich reinlassen.«
»Und was dann? Wollte er Ihnen helfen?«
»Na ja, erst wollte er nichts für mich tun.« Sie warf Dóra einen eingeschnappten Blick zu. »So wie Sie. Aber dann habe ich ihn überredet, und er wollte sich darum kümmern.«
»Was hast du ihm denn im Gegenzug versprochen?«, fragte Bella und schien noch mehr sagen zu wollen – etwas, das bestimmt nicht angemessen wäre. Aber dazu kam es nicht mehr.
»Ich wollte ihm einen Gefallen tun«, sagte Karítas und lief rot an, als sie Bellas Grinsen sah. »Nicht das, was du denkst. Ich wollte ihn dafür bezahlen, gut bezahlen.«
»Nur, um die Kleider zurückzubekommen?«, fragte Dóra. Sie besaß kein einziges Kleidungsstück, das so unverzichtbar war, dass sie jemandem einen Finderlohn dafür bezahlen würde.
»Unter anderem. Ich muss auch noch ein paar andere Dinge holen.« Karítas presste wieder die Lippen zusammen, so fest, dass sie fast verschwanden.
»Und was geschah dann?«
»Er wollte mich vor der Abfahrt in Lissabon treffen. Aber daraus wurde nichts.«
»Warum nicht?« Dóra versuchte schon gar nicht mehr, höflich zu sein.
»Ich bin einfach nicht hingegangen. Es war etwas passiert, und ich brauchte ihn nicht mehr. Dachte ich jedenfalls.« Karítas entblößte ihre Zähne, aber es misslang ihr, es wie ein Lächeln aussehen zu lassen. »Und jetzt hoffe ich, wie gesagt, dass Sie retten können, was noch zu retten ist, und mich an Bord lassen. Besser spät als nie.«
Dóra betrachtete diese schöne Frau, die aussah wie ein Engel, eine glänzende Verpackung um einen miesen Charakter. Die verschwundenen Leute waren ihr gleichgültig und langweilten sie im Grunde nur, selbst die Tatsache, dass auch zwei kleine Mädchen vermisst wurden.
»Ich überlege es mir, wenn ich weiß, was Sie holen wollen. Die Polizei hat die Yacht sowieso schon mit der Lupe durchsucht. Mir ist nicht ganz klar, was dort außer den Kleidern noch so Wichtiges sein sollte«, sagte Dóra.
»Machen Sie sich darüber mal keine Gedanken. Wenn Sie so zögerlich sind, bezahle ich Sie eben dafür, was halten Sie davon?«
»Nichts.« Dóra sah aus dem Augenwinkel, dass Karítas’ Mutter über die Antwort erleichtert war. Sie wandte sich ihr zu und fragte:
»Stimmt was nicht?«
Die Frau zuckte zusammen.
»Nein, nein, ich mache mir nur Sorgen wegen des Geldes. Da gibt es ein kleines Problem, verstehen
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