Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
Gesicht?«
»Das war Karítas’ Mutter. Ihre Tochter ist nach Hause gekommen.« Dóra grinste noch breiter. »Aber zurück zu dem, was du gesagt hast. Du hast eine verdammt gute Menschenkenntnis. Mach unbedingt weiter so!«
Bella ließ ihre Arme fallen.
»Soll das ein Witz sein?«
Dóra schüttelte den Kopf.
»Wie ist das denn möglich?«, fragte Bella und zog eine Flappe wie eine Bulldoge.
Dóra hatte selten jemanden gesehen, der über eine gute Neuigkeit so enttäuscht war.
»Das kriege ich schon noch raus. Ich habe ihr gesagt, ich würde mal vorbeikommen. Aber erst muss ich die Polizei informieren, die wollen bestimmt mit Karítas sprechen, und ich bin denen noch was schuldig. Es gibt da ein kleines Informationsdefizit meinerseits«, erklärte sie.
»Und Karítas will sich mit dir treffen?«, fragte Bella perplex. Informationsdefizite gegenüber der Polizei waren ihr offenbar vollkommen egal. »Komisch, wo sie noch nicht mal mit dir auf Facebook befreundet sein wollte. Und dabei hat sie Hunderte von Freunden.«
Darüber hatte sich Dóra auch schon gewundert.
»Ihre Mutter sagt, sie hätte selbst vorgeschlagen, Kontakt mit mir aufzunehmen. Ich weiß auch nicht, warum. Vielleicht braucht sie juristischen Beistand. Dann müsste ich sie enttäuschen, ich kann nicht für sie arbeiten, solange Ægirs Eltern meine Mandanten sind.«
»Ich komme mit! Mit solchen Schlampen kommst du nicht klar.«
»Eine Schlampe ist sie bestimmt nicht«, entgegnete Dóra. Auf sämtlichen Glamourfotos hatte Karítas ziemlich elegant ausgesehen, ein bisschen künstlich, aber bestimmt nicht wie eine Schlampe.
»Das ist deine Meinung. Ich komme mit«, sagte Bella und stürmte in den Flur, um ihren Anorak zu holen.
»Echt? Ich kann mich gar nicht an dich erinnern.«
Karítas musterte Bella und riss dabei ihre großen, blauen Augen auf. Das passte überhaupt nicht zu ihr, und sie sah eher ein bisschen beschränkt aus als wie ein süßes, kleines Mädchen. Sie hatte sich im Wohnzimmer auf dem Sofa drapiert, und da sie es mit ihren langen Beinen komplett ausfüllte, mussten Dóra, Bella und ihre Mutter sich mit Stühlen begnügen.
»Aber du warst nicht mit mir in einer Klasse, oder?«, fragte sie.
»Nee.«
Bella saß kerzengerade auf ihrem Stuhl und versuchte, keineswegs auszusehen wie ein kleines Mädchen. Im Gegenteil. Als Karítas’ Mutter sie als alte Schulkameradin vorgestellt hatte, hatte es der Sekretärin tatsächlich die Sprache verschlagen. Es gefiel ihr überhaupt nicht, dass dieses Geheimnis so schnell gelüftet wurde. Doch als Karítas sich nicht an Bella erinnerte, war sie beleidigt.
»Wow!« Karítas lächelte Bella verschwörerisch zu und schien ihre Feindseligkeit nicht zu bemerken. »Voll krass. Warst du denn damals schlank? Nicht so … du weißt schon?«
Dóra beeilte sich, eine Frage einzuwerfen, damit es nicht zu Handgreiflichkeiten kam: »Wann sind Sie nach Island gekommen?«
»Vor kurzem.«
Da mischte sich Karítas’ Mutter ein. Ihre roten Augen waren geschwollen, und ihre Fröhlichkeit übertrieben und schlecht gespielt.
»Ich verstehe gar nicht, wie du so gut aussehen kannst, Schatz, nach der vielen Reiserei. Den ganzen Weg von Brasilien! Wir würden nach einer so langen Reise nicht so gut aussehen, nicht wahr?«, fragte sie Bella, die noch starrer wurde.
»Sind Sie über die USA gekommen?«, fragte Dóra. Sie hatte den Eindruck, dass Karítas merkwürdig auf die Worte ihrer Mutter reagierte, als hätte sie ihr am liebsten die Kristallvase, die auf dem Tisch stand, an den Kopf geworfen.
»Nein.« Sie drehte ihre Finger umeinander, bis sie ein Geflecht aus grellrosa Nagellacktupfern bildeten, die schon ein bisschen angekratzt waren. »Aber ich habe Sie nicht herbestellt, um mit Ihnen über so langweilige Dinge wie Flugreisen zu reden.«
Sie spreizte ihre Finger und legte ihre Hände damenhaft auf das Sofa. Die rosa Farbe biss sich mit der weinroten Polsterung.
»Sie haben doch beruflich mit der Yacht zu tun, oder?«
»Nicht direkt.«
Karítas’ Mutter machte ein verdattertes Gesicht, da sie ihrer Tochter das offenbar erzählt hatte.
»Ich arbeite für die Eltern eines Mannes, der von Bord verschwunden ist. Ich habe nur indirekt mit der Yacht zu tun«, sagte Dóra.
»Waren Sie mal an Bord?« Karítas setzte sich auf und zog ihre Beine heran, als Dóra nickte. »Wahnsinn, oder?«
»Mein Anliegen war nicht unbedingt vergnüglich, ich habe mir keine großen Gedanken über die Ausstattung
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