Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
wollte Ihnen nur sagen, dass Karítas sich gestern gemeldet hat.«
Die kurze Pause, während der Dóra nichts sagte, machte sie nervös.
»Sie haben doch nach ihr gefragt, wissen Sie noch? Ich dachte nur, Sie würden das gerne wissen.«
»Stimmt, und ich bin sehr froh, das zu hören, ich dachte schon, ihr sei etwas zugestoßen«, sagte Dóra und hoffte, dass Begga nicht hörte, wie erstaunt sie war. Sie hatte fest damit gerechnet, dass es sich bei der Toten, die auf der Yacht gefunden worden war, um Karítas handelte – sei es wegen Bellas Überzeugung vom vorzeitigen Tod ihrer alten Schulkameradin, oder weil sie neben Lára die einzige Frau war, die mit dem Fall zu tun hatte. Und laut Polizei war es zweifelhaft, ob die an Land gespülte Leiche Lára war.
Die Frau stieß ein kurzes Lachen aus, das fast wie ein Kichern klang.
»Wenn ich ehrlich sein soll, dachte ich das mittlerweile auch. Aber es geht ihr gut, und sie ist wohlauf«, sagte sie.
»Haben Sie sie gefragt, ob sie bereit wäre, kurz mit mir zu sprechen? Ich kann sie auch anrufen, falls sie im Ausland ist und das Telefonat nicht bezahlen will.«
»Oh, das macht ihr doch nichts.« Beggas Stimme klang hohl, und sie hatte eindeutig keine Ahnung, was sich ihre Tochter noch leisten konnte. »Ich habe es angesprochen, aber sie konnte mir leider nicht mehr antworten, weil sie wegmusste. Ich sage es ihr noch mal, wenn ich das nächste Mal von ihr höre. Das wird bestimmt bald sein, sie hat jetzt Internetzugang.«
»Internetzugang?« Dóra überlegte, ob Karítas in derselben Klemme saß wie Bella, sagte aber nichts, um das Luxusbild, das Begga von ihrer Tochter kultivierte, nicht zu zerstören. »War sie in entlegenen Gegenden unterwegs?«
»Ja, sie ist gereist. Hat versucht, zu sich zu kommen, verstehen Sie?«
Dóra verstand das nicht ganz. Wenn sie in ihrem Leben mit Problemen konfrontiert war, konnte sie nicht mal eben auf die Galapagosinseln fliegen, um zu sich zu kommen.
»Sie ist also wieder zu Hause?«, fragte sie und fügte hastig hinzu: »Wo war das noch mal?«
Begga kicherte.
»Kein Wunder, dass Sie das fragen. Aber im Ernst, sie ist in Brasilien. Glaube ich. Darüber haben wir zwar nicht direkt gesprochen, aber sie haben dort ein Haus, und obwohl da eigentlich schon Herbst ist, ist es trotzdem wärmer als hier. Ich nehme an, dass sie dort ist.«
»Haben Sie ihre Telefonnummer?«
Jetzt war kein Kichern mehr zu hören.
»Nein. Die hat sie mir nicht gesagt, und ich habe vergessen zu fragen. Sie hatte sich eine neue Nummer zugelegt, als das alles losging und sie keine Ruhe mehr vor den Journalisten hatte. Sie hatte sogar ihr Handy gekündigt, stellen Sie sich das mal vor! Aber leider weiß ich nicht, ob sie wieder eins hat. Es war, wie gesagt, nur ein kurzes Gespräch.«
»Haben Sie denn gesehen, von welcher Nummer aus sie angerufen hat?«
»Nein, sie hat nicht angerufen. Das war auf Facebook. Hatte ich das nicht erwähnt?«
»Da habe ich wohl was missverstanden.«
Dóra fand das ziemlich seltsam. Wenn sie wochenlang nicht mit ihrer Mutter gesprochen hätte, würde sie sich bestimmt die Zeit nehmen, länger mit ihr zu reden. Und sie würde eher anrufen, als auf einer Internetplattform mit ihr zu chatten. Wenn aber jemand vorgab, Karítas zu sein, um ihre Mutter zu täuschen, musste das Gespräch möglichst kurz und möglichst nicht am Telefon sein. Je länger es dauerte, desto größer war die Gefahr, Fehler zu machen. Vor allem, wenn Google Translate benutzt wurde. Dóra hätte Begga liebend gerne gefragt, ob sie über etwas Persönliches gesprochen hätten, etwas, das sonst niemand wusste. Aber das hätte die arme Frau nur durcheinandergebracht, und es wäre ziemlich frustrierend, ihre Erleichterung nach dem Facebook-Chat wieder zunichte zu machen.
»Hat sie sonst noch was Besonderes gesagt?«
»Nein, eigentlich nicht. Nur, dass es ihr gutgeht und dass das Wetter gut wäre. Dann hat sie noch nach dem Wetter in Island gefragt. Ich weiß das nicht mehr im Detail.«
»Nein, natürlich nicht. Aber es ist gut, dass sie wohlauf ist und sich hoffentlich bald wieder bei Ihnen meldet. Dann denken Sie vielleicht an mein Anliegen«, sagte Dóra, der plötzlich etwas klar wurde. Wenn jemand vorgab, Karítas zu sein, musste es ein Isländer sein. Es war einfach unmöglich, mehr als zwei Sätze mit Google übersetzen zu lassen, ohne sich verdächtig zu machen.
»Ich habe letztes Mal vergessen zu fragen, ob Karítas im Ausland isländische
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