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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Schmuckstücke zusammenzubrechen – sie waren wirklich nicht für Schwertransporte geeignet, sondern starben fast den Hungertod. Oft waren mit Schnittchen und Häppchen beladene Silbertabletts zu sehen, von denen aber nie eine Frau etwas aß. Im Gegensatz zu den Männern, die groß und klein und dick und dünn waren und sich oft etwas in den Mund steckten, wenn gerade abgedrückt wurde.
    Ein paar Fotos zeigten Karítas alleine oder mit ihrem Mann aus der Nähe. Sie waren alle gestellt, und ihr Körper stets so in Szene gesetzt, dass er am besten zum Ausdruck kam. Niemals ungekämmte Haare oder Freizeitkleidung. Es fiel auf, dass sich der Fotograf immer nur für Leute interessierte, obwohl im Hintergrund alle möglichen Ecken der Welt zu sehen waren. Leute, Leute und nochmals Leute.
    Als Dóra gerade aufgeben wollte, kam ein Foto von Karítas, wie sie mit Hilfe einer jungen Frau ein langes Kleid anzog. Das Mädchen schloss den Reißverschluss an ihrem langen, schlanken Rücken. Man konnte zwar nur einen Teil ihres Gesichts sehen, aber sie wäre eindeutig lieber woanders gewesen. Unter dem Bild stand: Zu spät zum Charity-Ball in Wien, Aldís hilft in letzter Sekunde! Jetzt wusste Dóra zumindest, wie Aldís aussah. Vielleicht stand ihr voller Name ja unter einem der anderen Bilder. Aber Dóra hatte genug von dieser Fotosammlung, nahm das Telefon und rief Bella an. Als Internet-Junkie würde sie sich über diese Aufgabe bestimmt freuen. Bevor Dóra ihr Anliegen vorbrachte, fragte sie nach der Lego-Box und bekam zu hören, dass irgendein verdammter Schwachkopf Bella im letzten Moment überboten hatte.
    »Ach, schade, vielleicht klappt’s ja beim nächsten Mal«, sagte Dóra in der Hoffnung, dass Bella das hören wollte, erntete aber nur ein vieldeutiges Stöhnen und Schnauben. Dieselbe Reaktion erhielt sie auf ihre Bitte, Bella solle sich die Facebook-Seite anschauen. Als Dóra auflegte, war ihr nicht klar, ob Bella die Aufgabe übernehmen würde – aber das war ja nichts Neues.
    Das Bild von Karítas, die sich mit Aldís’ Hilfe anzog, war immer noch auf dem Bildschirm. Dóra starrte es an, seufzte und schüttelte langsam den Kopf. Vielleicht interpretierte sie zu viel in das hinein, was sie bisher gesehen und gehört hatte, aber sie war sich ziemlich sicher, dass Karítas langweilig, dreist und überheblich war. Sie stammte aus kleinen Verhältnissen, war zu unbeschreiblichem Reichtum gekommen und konnte nicht damit umgehen. Oder sie war schon immer eine Zicke gewesen, wie Bella hatte durchblicken lassen. Jetzt fand Dóra das Gesicht des Mädchens, das sich damit abmühte, den Reißverschluss am Rücken seiner Chefin nicht zu verhaken, noch aussagekräftiger. Sie war genervt und wütend, diese verwöhnte Prinzessin bedienen zu müssen. Als Dóra das Foto vergrößerte, änderte sie ihre Meinung: Das Gesicht war nicht wütend, sondern hasserfüllt.

15. Kapitel
    Unten in der Tiefe war die Sicht schlecht. Der Scheinwerfer war ungewohnt, und Ægir stellte sich so ungeschickt an, dass der Lichtschein ständig flackerte. Alles wirkte lebendig und zugleich furchteinflößend, als könne jeden Moment etwas passieren. Das eine Mal, als Ægir im Meer getaucht war, hatte nichts mit dieser Schnapsidee gemein; damals hatte er sich gut gefühlt und fast vergessen, wie fragil das Leben unter der Wasseroberfläche war. Jetzt hämmerte das Herz in seiner Brust, und er musste sich bei jedem Atemzug darauf konzentrieren, genug Sauerstoff durch das Mundstück zu bekommen und nicht durchzudrehen. Doch er konnte sich einfach nicht beruhigen. Der Plastikgeschmack in seinem Mund wurde immer stärker, und Ægir wurde mit jedem Atemzug nervöser.
    Er schaute nach oben in der Hoffnung, sich zu entspannen, wenn er sah, wie kurz der Abstand zur Wasseroberfläche war. Doch es half nicht. Die Helligkeit weckte ein unkontrollierbares Verlangen, durch die Nase zu atmen. Schnell senkte er den Kopf wieder und spürte, wie seine eiskalten Halswirbel knackten. Das Geräusch war gedämpft und schien ganz langsam durchs Meer getragen zu werden – wozu auch Eile? Es hörte ja niemand zu. Die Yacht knirschte unablässig, vermutlich wegen der Spannung in der Stahlwand, was Ægirs angespannte Nerven nur noch mehr strapazierte. Was, wenn der Schiffsrumpf kaputt war? Würden sie von ihm verlangen, noch einmal mit Werkzeug hinunterzutauchen und den Schaden zu reparieren? Er verdrängte den Gedanken, indem er die Augen zukniff und dreimal durchatmete. Die

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