Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
unter Wasser wäre alles so leicht. Hat wohl nicht gereicht!«
»Haltet doch einfach euer Maul! Warum schnallt ihr euch nicht die Sauerstoffflasche um und kümmert euch um die Sache, wenn ihr so tolle Kerle seid?«, tönte Ægir und trank einen weiteren Schluck. Ihm wurde sofort wärmer, als er sich aufregte. »Ich sage euch nur, wie es da aussieht, aber ich hab keinen blassen Schimmer, was man machen kann. Ihr seid die Seeleute. Findet gefälligst einen Ausweg, anstatt auf mir rumzuhacken!«
»Du solltest besser nichts mehr trinken«, sagte Þráinn und stieß sich energisch vom Tisch ab. »Geh lieber und rede mit deiner Frau. Die war ja nicht gerade bester Laune, als sie gegangen ist. Und dann solltest du heiß duschen und dich ins Bett legen. Anders bekommt man diese Kälte nicht aus dem Leib.«
»Mama war sauer«, sagte Arna und lächelte. »Jetzt redet sie bestimmt nicht mit dir.«
Sie wäre wohl am liebsten sitzen geblieben und hätte den Erwachsenen weiter zugehört. Die Gelegenheit bekam sie nicht allzu oft.
»Ich würde lieber warten«, fügte sie hinzu.
Bylgja machte ein zerknirschtes Gesicht und sagte:
»Sie war nicht sauer, Papa. Nur traurig. Als ihr so lange draußen wart, dachte sie, ihr wärt ins Meer gefallen. Dann hat sie aus dem Fenster geguckt und nur zwei Männer gesehen, und da dachte sie, du wärst ertrunken. Sie hat uns runtergeschickt, dabei hätte ich so gerne gesehen, wie du rausgekommen bist.«
Ægir lächelte und spürte, dass seine Lippen rissig waren. Er fuhr mit der Zunge darüber und schmeckte Salz.
»Mama fängt sich schon wieder.«
»Ich will auch mal so frieren wie du«, sagte Arna und lehnte sich noch weiter über den Küchentisch. »Wenn ich ganz viel Eis esse und auf Eiswürfeln rumkaue, wird mir dann so kalt wie dir?«
»Ja, wahrscheinlich. Aber ich kann es dir nicht empfehlen.«
»Wir haben kein Eis«, sagte Þráinn energisch, nahm Halli das Sixpack aus der Hand und stellte es in den Kühlschrank.
»Oh doch«, sagte Arna trotzig, »ich hab Eis am Stiel gesehen, als wir die Kühltruhe eingeräumt haben. Darf ich eins haben, Papa?«
»Nein.« Ægir stellte sein Bier auf den Tisch. Die Frage katapultierte ihn brutal zurück in die Wirklichkeit. »Wir gehen jetzt runter zu Mama. Þráinn hat recht.«
Sein Blick wanderte vom Kapitän zur Vorratskammer. Dann wurde er schlagartig wieder nüchtern. Das Vorhängeschloss lag vor der Tür der Kammer auf dem Fußboden. Es schien aufgesägt worden zu sein. Es war definitiv unversehrt und verschlossen gewesen, als sie an Deck gegangen waren. Ægir räusperte sich und fragte:
»Habt ihr an dem Schloss rumgespielt?«
Er nickte so ruhig er konnte in Richtung Vorratskammer. Die drei Männer schüttelten den Kopf.
»Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es Lára oder die Kinder waren.«
Arna und Bylgja schauten ihn verständnislos an.
»Was waren wir?«
»Ach, nichts.«
Þráinn ging zur Vorratskammer und öffnete die Tür. Ægir sah die Truhe aufblitzen, als der Kapitän in den Raum schlüpfte, und schnappte nach Luft. Die Lebensmittel, die zuoberst in der Truhe gewesen waren, lagen verstreut auf dem Boden. Und die Truhe stand offen. Ægir musste gar nicht hineinschauen, um zu wissen, dass die Leiche weg war. Der Gesichtsausdruck des Kapitäns sagte alles.
Was zum Teufel war passiert? Ægir wusste, wo die Leiche gelandet war – die Frau im Wasser war also doch keine Einbildung gewesen. Wie dumm von ihm, dass er den anderen nicht direkt von ihr erzählt, denn jetzt würde seine Geschichte unglaubwürdig und verdächtig klingen. Aber wer hatte die Leiche über Bord geworfen und warum? Er war es nicht gewesen, und weder Þráinn noch Halli hätten es tun können, ohne dass der andere es gemerkt hätte. Blieben nicht viele übrig. Ægir starrte zu Loftur, der sofort wegschaute.
16. Kapitel
Auf dem Tisch lagen Kopien, die ziemlich mitgenommen aussahen. Sie waren schräg zusammengefaltet und an den Ecken eingeknickt. Als Dóra die Blätter auseinanderfaltete, fielen Tabakkrümel und Staub heraus – wahrscheinlich hatten sie in einer schmutzigen Jackentasche gesteckt.
»Danke, dass Sie mir das vorbeigebracht haben. Ist bestimmt nicht einfach, bei diesem Wetter mit einem Gipsbein durch die Gegend zu humpeln«, sagte sie, strich die Kopien glatt und blätterte sie schnell durch. Auf den ersten Blick schien alles dabei zu sein, wonach sie gefragt hatte. Sie lächelte Snævar an.
»War es sehr aufwendig, die Unterlagen
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