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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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großgezogen hatte. Dóra war klar, dass sie ihn kaum wiedererkennen würde, wenn er ein Jahr im Ausland verbrachte. Vielleicht war das der Grund für ihr trotziges Verhalten. Sie wollte, dass er erwachsen wurde, sein Leben lebte, Risiken einging, sich die Hörner abstieß. Aber sie wollte es nicht verpassen, und auch nicht, dass er ohne Sicherheitsnetz auf einem Seil balancierte.
    »Weißt du, wie schnell man in Norwegen ist, Mama?«, fragte Gylfi, der anscheinend an ihrem Gesicht ablesen konnte, was ihr durch den Kopf ging.
    »Nein.«
    Vielleicht musste es einfach so kommen. Gylfis kleine Familie würde ihres Weges ziehen und auf eigenen Beinen stehen, und Dóra musste sich damit abfinden, die Sicherheitsschranke am Flughafen zu passieren, um ihren Sohn und ihr Enkelkind zu besuchen.
    »Wie schnell denn?«
    Gylfi errötete leicht.
    »Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber ziemlich schnell. Und du kannst in den Duty-Free.«
    Na toll, wenn sie wegziehen würden, bekäme sie stattdessen zumindest billigen Alkohol und Süßigkeiten.
    »Super, daran habe ich noch gar nicht gedacht.«
    Gylfis Lächeln ließ erkennen, dass er die Ironie nicht bemerkt hatte, und Dóra fügte hinzu:
    »Wann bekommst du denn eine Antwort?«
    Vielleicht fiel die Antwort ja negativ aus, und all ihre Sorgen wären wie weggeblasen. Dóra hatte mal gehört, dass man sich am meisten Sorgen über Dinge machte, die nie eintrafen. Hoffentlich war das auch jetzt der Fall. Es traf jedenfalls definitiv auf Leute wie ihre Mutter zu, die nachts stundenlang wach lag, weil sie sich Gedanken machte. Wenn etwas Wichtiges anstand oder etwas Schlimmes in den Nachrichten kam, befanden sich ihre Liebsten sofort in größter Gefahr. Wenn die Bevölkerung aufgerufen wurde, nicht zu schnell Auto zu fahren, war im Grunde genommen die ganze Familie dem Tode geweiht, entweder, weil sie immer Vollgas fuhr oder weil sie Rasern zum Opfer fiel. Wenn der ukrainische Präsidentschaftskandidat mit Dioxin vergiftet wurde, war sich ihre Mutter sicher, dass Dóra auch so etwas passieren würde, dass ihr aus Versehen eine Limonade serviert würde, die eigentlich für ein ausländisches Staatsoberhaupt bestimmt wäre und so weiter. Es war kein Zufall, dass Dóra ihren Eltern nichts von Gylfis Plänen erzählt hatte – sie machte sich selbst schon genug Sorgen, da brauchte sie nicht auch noch ihre Mutter.
    »Ich weiß nicht genau. Papa wollte mal für mich anrufen, wenn ich bis Anfang nächster Woche nichts gehört habe. Er hat in der Wohnung schon alles vorbereitet, wir könnten also fahren, sobald die Schule zu Ende ist. Wir haben ja schnell gepackt.«
    Dóra schloss die Augen und zählte bis zehn. Ihr Sohn hatte bisher noch nicht mal Socken eingepackt, denn darum hatte sie sich immer gekümmert. Aber die Wut, die in ihr hochkochte, hatte nichts damit zu tun. Schließlich war das ihre eigene Schuld. Vielmehr war sie sauer auf Gylfis Vater, ihren Ex-Mann. Was mischte der sich eigentlich ein? Wenn er sich zurückgehalten hätte, würde sich jetzt niemand darüber Gedanken machen, Gylfi würde sich an der Uni einschreiben, und Sigga würde es genießen, ein Jahr jünger zu sein und noch ein Jahr auf dem Gymnasium vor sich zu haben. Wenn Dóra ehrlich war, wusste sie, dass ihr Ex-Mann es nur gut gemeint hatte, wahrscheinlich fühlte er sich in Norwegen einsam und wollte seinen einzigen Sohn als Gesellschaft haben. Es war bestimmt nicht leicht, jeden zweiten Monat alleine in einem fremden Land zu verbringen.
    »Ihr fahrt garantiert nicht so kurzfristig für eine so lange Zeit ins Ausland. Euch macht das vielleicht Spaß, aber vergesst Orri nicht!«, sagte Dóra, um einen neutralen Gesichtsausdruck bemüht. Das war genau das, was sie Matthias versprochen hatte, zu vermeiden: Predigten zu halten und Gylfi Vorschriften zu machen. Er war für sich selbst verantwortlich, und je früher sie das einsah, desto besser. Vielleicht sollte sie lieber auf sich selbst wütend sein als auf seinen Vater.
    »Warten wir mal ab, es ist unnötig, jetzt so viel Wirbel darum zu machen«, lenkte sie ein.
    »Es wäre am besten, überhaupt keinen Wirbel darum zu machen«, murmelte Gylfi und ließ sich aufs Sofa fallen. Sóley kümmerte sich nicht darum, so als ginge es sie nichts an, wenn ihr Bruder und der kleine Orri das Land verließen.
    Die Katze drehte den Geschwistern träge den Kopf zu und gähnte teilnahmslos.

    Eine hohle, metallische Frauenstimme warnte vor Sturm aus südöstlicher

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