Todesschlaf - Thriller
hatte sie nie wieder eine gefrorene Straße erlebt. Es war ein sonniger Tag um ein Uhr nachmittags. Aber die Temperaturen lagen immer noch um den Gefrierpunkt, und die Hügel im Norden schirmten die Stra
ße von den Sonnenstrahlen ab. Timmie erwischte die vereiste Stelle, ohne sie jemals gesehen zu haben. Sie musste nur plötzlich feststellen, dass sie durch die Luft segelte, durch die Windschutzscheibe einen herrlichen Blick auf den Missouri hatte, und da wusste sie, dass sie erledigt war.
16
Gott sei Dank gab es Sicherheitsgurte. Das war so ungefähr der einzige zusammenhängende Gedanke, den Timmie im Verlauf der folgenden fünfzehn Minuten fassen konnte. So lange starrte sie mit leerem Blick zur Windschutzscheibe hinaus in das Gebüsch, das ihren Flug gebremst hatte.Wäre sie nicht angeschnallt gewesen, dann hätte sie jetzt platt wie eine Flunder irgendwo da draußen gelegen. So aber hing sie in ihrem Schultergurt wie ein im Baum gelandeter Fallschirmspringer. Der Kopf tat ihr weh, die Brust tat ihr weh und ihre Hände, die immer noch am Lenkrad klebten, als könnte sie sich nur dadurch im Auto halten, fühlten sich an, als wären sie beim Auf prall zersplittert.
Unglaublich. Sie hatte immer noch freie Sicht auf den Fluss. Höchstens fünf, sechs Meter von ihr entfernt wälzte er sich dahin. Moment mal, er wälzte sich ja gar nicht. Das war gar nicht der Missouri. Sie war vielmehr am Rand eines kleinen Bauernteichs gelandet. Ach, na gut. Vielleicht war das ja sogar der Bauer persönlich, der da versuchte, in ihr Auto zu gelangen.
Er würde wohl kein Glück haben. Die Tür war verriegelt. Noch so eine direkte Folge ihres Lebens auf der Überholspur. Jedes Mal, wenn sie sich ins Auto setzte um nachzudenken, verriegelte sie von innen die Türen.
Jetzt klopfte und kratzte der Mensch, der da draußen
war, an dem Auto herum, als suchte er nach einer anderen Möglichkeit, nach drinnen zu gelangen. Timmie seufzte. Dann würde sie sich also bewegen müssen. Sie versuchte mühsam, nach dem Gurtverschluss zu greifen. Irgendetwas lag im Weg. Und außerdem tat ihr die Schulter weh, wenn sie versuchte, den Arm zu strecken.
»Einen … Augenblick«, rief sie und bekam sofort Kopfschmerzen.
Er verlor keine Zeit. Er schlug das Heckfenster ein. Timmie konnte ihn nicht sehen. Sie konnte den Kopf nicht drehen. Aber sie konnte das charakteristische Geräusch einer zerplatzenden und in Splittern auf ihren Rücksitz prasselnden Fensterscheibe hören. Ihr wurde schlecht. Es roch nach Benzin und sie wusste plötzlich wieder, wie Angst sich anfühlte.
»Ich brauche ein kleines bisschen Hilfe beim Aussteigen«, meldete sie sich zuWort und versuchte erneut, den Gurtverschluss in die Finger zu bekommen.Vergeblich.
»Wo ist sie, verflucht noch mal?«, sagte er. Eine Baritonstimme mit einem Süd-St.-Louis-Akzent.
Also doch nicht der Bauer. Jetzt endlich fiel Timmie wieder ein, was der Grund für ihren Flug über Futtersilos hinweg gewesen war, und sie bekämpfte eine neuerliche Woge der Furcht. Der Benzingeruch wurde immer stärker und der Mann, der ihr Auto aufgebrochen hatte, war nicht gekommen, um sie herauszuholen.
Sie ließ einen Versuchsballon steigen: »Ich kann Ihnen bestimmt beim Suchen helfen, wenn Sie mich losschnallen.«
Timmie hörte ihn auf der Rückbank und auf dem Beifahrersitz herumwühlen. Sie erhaschte sogar einen kurzen Blick auf seine Haare. Dunkel. Dicht. Ölig. Aber kein dazugehöriges Gesicht. So ungefähr musste es sein, wenn man sich mit einem schlecht frisierten Vetter Itt aus der Adam’s Family unterhielt.
»Du hast sie heute Morgen doch mitgenommen. Das haben sie mir gesagt.«
»Wer hat das gesagt?«, fragte sie zurück. »Und wenn Sie schon so lange wissen, dass ich sie habe, warum haben Sie mein Auto dann nicht einfach aufgebrochen, als ich es auf der Straße abgestellt hatte? Sie hätten mich deshalb nicht extra durch zwei Regierungsbezirke jagen müssen.«
»Halt die Klappe.«
»Und ich erwarte, dass Sie mir das Fenster ersetzen«, sagte sie. »Ganz zu schweigen von meinem restlichen Auto. Arschloch. Sie haben mich von der Straße gedrängt.«
Er lachte. »Du hast die Kurve falsch eingeschätzt.«
»Hab ich nicht. Da war eine vereiste Stelle.«
Timmie dachte flüchtig, wie lächerlich diese ganze Konversation war. Aber wahrscheinlich immer noch besser, als um Gnade zu winseln.
»Was hast du damit gemacht?«, wollte er wissen. Jetzt schüttelte er sie an der Schulter. Als ob das etwas
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