Todesschlaf - Thriller
war schon alles. Kerzengerade wie eine Primaballerina stand sie da, die Arme seitlich angelegt, mit kontrollierten Atemzügen. »Wenn Sie es an die Öffentlichkeit zerren würden, dann würden Sie Alex schaden«, sagte sie anklagend. »Und das wollen Sie doch nicht.«
Timmie zog die Augenbrauen nach oben. »Aber wenn ich nichts unternehme, schade ich möglicherweise meinem Vater.«
»Das ist doch absurd! Er ist hier vollkommen sicher.«
»Woher wollen Sie das wissen? Ich habe auch gedacht, dass Alice hier vollkommen sicher ist.«
Mary Jane wandte sich ab, als wäre Timmies Argument weit unter ihrer Würde. »Was wollten Sie mich fragen?«
Timmie holte langsam und tief Luft. Ordnete ihre Gedanken.
Sie war nicht so dumm um etwas zu bitten, was sie schon hatte, also wagte sie einen Vorstoß in Richtung eines Verdachts.
»Wir müssen handeln, Ms. Arlington«, beharrte Timmie mit leiser Stimme. »Sonst geschieht es immer wieder. Sie müssen Alex bitten, eine Obduktion für Alice zu beantragen.«
Mary Jane schüttelte bereits den Kopf. »Das kann ich nicht. Er hat zu tun. Er ist nicht einmal in der Stadt.«
»Heißt das, wenn er außerhalb ist, rufen Sie ihn nicht an, wenn ein Patient gestorben ist?«
Mary Jane konnte ihr nicht in die Augen schauen. »Damit machen Sie sich doch nur selbst das Leben schwer. Durch Ihre wahllosen Anschuldigungen gefährden Sie die Existenz dieser Einrichtung, und das werde ich nicht zulassen.«
Timmie gab keinen Millimeter nach. »Ich werde keine Ruhe geben, Ms. Arlington.«
Mary Jane schloss die Augen. Timmie hielt den Atem an. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Wollte Mary Jane lediglich Alex schützen oder schützte sie sich selbst?
»Ich kann nicht.« Jetzt stöhnte sie auf. »Ich kann einfach nicht.«
»Dann mache ich es!«
Als sie diese Worte hörte, öffnete Mary Jane die Augen und wieder erkannte Timmie die instinktive Furcht in ihrem Blick. Jenen Schutzreflex, der in Timmie die Frage aufwarf, ob Mary Jane Alex nicht nur schützen, sondern auch noch so tun wollte, als hätte sie ihn gar nicht im Verdacht.
Alex.
Es konnte nicht Alex sein. Das würde Timmie nicht zulassen.
Also stellte sie jetzt die schwierigste Frage ihres gesamten Lebens. »Glauben Sie, dass Alex etwas damit zu tun hat?«
»Nein!«
Zu schnell, zu sicher. Viel zu ängstlich. Timmie verspürte den starken Wunsch, sich zu übergeben.
Doch stattdessen sagte sie: »Können Sie sich denn irgendjemand anders denken?« Sie blickte nach unten und sah die weißen Knöchel ihrer Finger, die sich um den versteckten Behälter krampften.
»Wir haben hier keine Probleme«, sagte Mary Jane erneut viel zu hastig. »Aber wenn wir welche hätten - die Pflege von Alice lag hauptsächlich in den Händen von Gladys. Oder Trudy oder, ähm, Penelope.«
Ach ja, die Personalchefin, dachte Timmie und spürte neuerliche Verachtung aufkommen. Im Zweifelsfall beschuldigt man eben die treuen Mitarbeiterinnen.
»Kann ich mit ihnen sprechen?«
Mary Jane verkniff sich ein spöttisches Grinsen. »Dafür brauchen Sie doch meine Einwilligung nicht. Sie kriegen einfach raus, wo sie wohnen und fallen ihnen dann dort auf die Nerven.«
»Und die Obduktion?«
Mary Jane zwinkerte und wandte den Blick ab. »Mal sehen.«
Nichts Eindeutiges. Doch zumindest war jetzt die Saat gesät. »Bertha Worthmueller«, sagte Timmie jetzt. »Ich glaube, das Krankenhaus sollte ihr für die nächsten Tage eine private Krankenschwester zur Seite stellen. Vielleicht sogar jemanden von außerhalb, nur um sicherzugehen.«
Mary Jane wandte sich zur Tür. »Bertha ist hier vollkommen sicher.«
»Da wäre noch etwas«, sagte Timmie, die sich dachte, dass das ihre letzte Chance war. »Ich bin sicher, dass Sie mit Mr. Landry bereits über meine Flugeinlage von neulich gesprochen haben. Ich habe mittlerweile herausgefunden, dass ich daran gehindert werden sollte, eine interne Anweisung weiterzugeben. Ich weiß nur nicht, wieso.«
Mary Jane zog eine Augenbraue hoch, jetzt wieder ganz die Vorgesetzte. »Ich gebe doch keine Informationen preis, nur damit Sie sie an Ihren Rechtsanwalt weitergeben können.«
»Ich gebe sie an niemanden weiter. Ich möchte nur wissen, ob es irgendetwas mit dieser Angelegenheit hier zu tun hat.«
Mary Jane schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt nicht. Es ging dabei lediglich um den Zeitplan für eine weitere Verschlankung, die notwendig geworden ist, um die finanzielle Zukunft des Krankenhauses zu sichern.«
Verschlankung. Sprich:
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