Todesschlaf - Thriller
passiert?«
»Nehmt ihr die Pistole ab.«
Eine riesige Frau, die so aussah, als wäre sie direkt Gullivers Reisen entstiegen, lachte. »Wieso kriegst du es immer wieder mit Pistolen zu tun?«, sagte sie und nahm der Brünetten die Waffe aus der Hand.
Diese grinste, als hätte sie gerade eine Schussfahrt auf Skiern hinter sich. »Anscheinend muss ich immer im Mittelpunkt stehen, stimmt’s?«
Dann ging sie einfach weg.
»Sie haben mich geschubst«, sagte eine anklagende Stimme unter Murphy.
Murphy, der immer noch auf dem Boden kniete, blickte hinunter und sah Landry auf dem Rasen liegen. Er war bereits damit beschäftigt, sich das perfekt geschnittene Haar zu richten. Sherilee würde ihn nie wieder in Ruhe lassen. »Gern geschehen«, sagte er dann und reichte dem Vorstandsvorsitzenden die Hand, um ihm aufzuhelfen.
Irgendwann lichtete sich das Chaos dann von selbst. Ein paar Polizisten tauchten auf, beschlagnahmten die Pistole und ließen sich den Täter beschreiben. Murphy erinnerte sich an einen weißen Mann, gut eins achtzig groß, mit spärlichem Haarwuchs und zahlreichen Falten in einem Gesicht, das früher einmal recht attraktiv gewesen sein musste. Gut gekleidet, ohne jedoch besonders aufzufallen. Murphy dachte an die Wut in den Augen des Mannes und fragte sich, wer wohl das Ziel des Anschlags gewesen sein mochte.
Die Brünette mit den großen Augen, die irgendwann mit einem Ebenbild im Miniaturformat an der Hand wieder aufgetaucht war, gab eine ganz ähnliche Beschreibung ab. Sie hatte genauso instinktiv reagiert wie Murphy.
Das überraschte Murphy nicht weiter. Sie sah nicht aus wie eine Einheimische. Sie war unruhig, irgendwie überaufmerksam, als rechnete sie jederzeit damit, dass über ihren Köpfen die Alarmsirenen zu heulen anfingen. Meine Fresse, sogar ihre Nasenlöcher waren geweitet, als ob der Geruch der Schüsse sie erregt hatte. Murphy hatte viel zu viel Energie darauf verwendet, genau diese Reaktion bei sich selbst zu ertränken, wegzuschnupfen oder mit der Spritze zu besiegen, als dass er sie nicht sofort erkannt hätte.
»So etwas ist dir in Los Angeles wohl häufiger passiert, nicht wahr?«, sagte Dr. Raymond, als er ihr ein Glas Sekt in die Hand drückte. Fünf Meter von ihnen entfernt trabte das nächste Pferd über den Parcours. Das Publikum war lediglich ein klein wenig nervöser als zuvor, der Hauch der Gewalttätigkeit wurde sorgfältig von höflichem Betragen überdeckt, so, als würde man einen Flicken auf einen guten Mantel nähen.
»Ach was«, sagte sie und legte, anstatt einen Schluck zu trinken, lieber den Arm um das kleine Mädchen. »Für so was hatten wir doch die Praktikanten.«
Volltreffer, dachte Murphy, als er zum zweiten Mal ein angebotenes Glas ablehnte. Los Angeles.
Alle lachten. Mary Jane Arlington, die aus eigenem Antrieb vermutlich nicht gelacht hätte, war zusammen mit den Polizisten von der Bildfläche verschwunden um sicherzustellen, dass deren Anwesenheit keinen störenden Einfluss auf die Gala hatte. Paul Landry war mitgegangen - wahrscheinlich wollte er sich frische Sachen anziehen.
Die Frau mit den schnellen Reflexen hatte also offensichtlich zusammen mit ihrer Tochter und zwei Freundinnen die
Veranstaltung besucht - eine war der lachende Kleiderschrank, die andere eine unscheinbare Dunkelblonde. Sie war angezogen, als wäre sie das gemeinsame Kind von Loretta Lynn und Michael Jackson, und kippte sich den Gratissekt wie Limonade in die Kehle.
»Ich habe die Schüsse gehört«, sagte die Dunkelblonde gerade zum vierten Mal. Dabei flatterte sie aufgeregt mit den Fingern, die mit zahlreichen Ringen geschmückt waren. Ihre Augen waren feucht und weit aufgerissen. »Und ich habe … habe … gedacht …«
Etliche Umstehende tätschelten ihr die Schulter. Sie nickte, als sei das absolut berechtigt.
»Ich hätte das nicht noch einmal durchgestanden«, sagte sie dann mit matter Stimme.
»Nun, dank Daniel und Timmie hat sich ja alles zum Guten gewendet«, beruhigte Raymond die Versammlung.
Ob sich wohl außer ihm noch jemand fragte, wieso sich bis jetzt noch nicht einer der Anwesenden zu der Frage ge äußert hatte, weshalb Timmie und Daniel die Anwesenden vor etlichen Pistolenschüssen hatten bewahren müssen? Timmie auch, dachte Murphy. Er sah es ihrer einen gehobenen dunklen Augenbraue an, während sie die Umstehenden beim Sekttrinken betrachtete.
»Timmie?«, sagte Murphy fragend.
»Timothy, um genau zu sein«, korrigierte sie ihn mit
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