Todesschlaf - Thriller
Diskussion über Kolleginnen, alkoholsüchtige Ehemänner und unerklärliche Todesfälle, die Murphy über weite Strecken uninteressant fand.
Schließlich setzte Timmie einen Schlusspunkt. »Ich bin unter anderem deshalb hier eingestellt worden, um den Status quo zu hinterfragen. Aber ich glaube, dieses Mal reichen einfache Fragen nicht aus. Und ich finde, wenn man Zweifel hat, muss man handeln.«
»Mit dieser Einstellung stehst du bald wieder auf der Straße«, warnte Cindy Dunn, allerdings in fröhlichem Tonfall.
Dr. Adkins schaute deutlich weniger belustigt drein. »Mit dieser Einstellung wärst du um ein Haar erschossen worden.«
Timmie winkte achtlos ab. »Mach dich nicht lächerlich. Ich habe in mehr Pistolenläufe geschaut als Clint Eastwood. Es ist nie was passiert.«
»Aber wir sind hier nicht in L.A.«, gab Cindy zurück. »Hier gibt es schließlich noch andere, für die du verantwortlich bist, verstehst du? Ich spreche von deiner Familie !«
Taktlose und bedeutungsschwangere Worte. Für eine so kleine Frau konnte Timmie Leary ganz schön stechende Blicke aussenden. Sie richtete einen davon auf die Blonde und brachte sie damit zum Schweigen. »Danke Cindy.Wir reden später weiter.«
Cindy zog eine Schnute. »Aber das ist doch genau der Grund, weshalb du wiedergekommen bist«, sagte sie nur.
Murphy, der am Rand des Grüppchens stand, kam sich vor wie ein Voyeur. Es war ein bisschen so wie in der guten alten Zeit, nur, dass es ihm keinen Spaß mehr machte. Vor allem, wenn er sich Timmies Gesichtsausdruck ansah. Sie sah aus, als hätte man sie gerade gezwungen, private Dinge ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren.
Musste wohl am fehlenden Alkohol liegen. Oder am fehlenden Kokain. Oder an den fehlenden Antidepressiva. Es machte ihm einfach keinen Spaß mehr, bei irgendwelchen Leuten darauf zu lauern, dass ihnen unbehaglich wurde, besonders, wenn er sie nicht für irgendetwas benutzen konnte.
Raymond, der sich in der gespannten Stille offenbar genauso unwohl fühlte, räusperte sich. »Wo wir gerade davon sprechen«, sagte er. »Timmie könnte Ihnen wahrscheinlich eine tolle Geschichte erzählen, Dan. Ihr Vater ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten von Puckett, nicht wahr, Timmie?«
Vielleicht war Murphy ja der Einzige, der bemerkte, dass sie sich sofort noch mehr verkrampfte. »Das ist er.«
»Noch heute ertappe ich mich manchmal dabei, wie ich während der Arbeit eines seiner Lieder singe«, fuhr Raymond treuherzig fort. »Was für eine Stimme. Singst du eigentlich auch, Timmie?«
»Nein, ganz bestimmt nicht.«
Murphy stellte fest, dass das Gespräch ständig übergangslos die Ebenen wechselte, und wunderte sich. Aber, zum Teufel, er fragte sich ja auch immer noch, wer eigentlich bei
einer Pferdegala eine Schießerei veranstalten wollte, dabei war das eine Nebensächlichkeit, die außer ihn nun wirklich niemanden interessierte. Was in der Regel bedeutete, dass sich da irgendwo eine interessante Geschichte verbarg. Falls jemand die Energie aufbrachte, danach zu suchen.
»Ihr Vater ist Musiker?«, erkundigte sich Murphy stattdessen.
»Nein«, sagte Timmie. »Ire.«
»›I will arise and go now‹«, intonierte Barbara Adkins jetzt mit sanftem Lächeln und ohne ersichtlichen Grund.
»›And go to Innisfree‹«, fielen alle außer Timmie ein, als wäre es eine Liturgie. Dann lächelten sie.
»Das ist aus ›The Lake Isle of Innisfree‹«, erläuterte die massiv gebaute Ärztin. »Von Yeats. Timmies Dad hat es mir beigebracht.«
»Es ist sein Lieblingsgedicht«, begeisterte sich Raymond und strahlte über das ganze Gesicht. »Sie brauchen ihn bloß zu fragen, dann rezitiert er es Ihnen auf der Stelle.«
Barbara lachte. »Ach was, Sie brauchen ihn gar nicht zu fragen. Er macht es so oder so.«
Und so standen sie also alle herum und schlürften Sekt und sahen zu, wie das nächste Pferd über den Parcours galoppierte und beschäftigten sich mit irischen Dichtern. Mit Ausnahme von Timmie Leary. Sie hatte ihr volles Glas wie eine Waffe gepackt und die Stirn in Falten gelegt. Und Murphy. Unerklärlicherweise musste er feststellen, dass er über die Tatsache nachdachte, dass die interessantesten Aussagen dieses Nachmittags unausgesprochen geblieben waren.
Später am Abend, als die Pferde wieder in ihre Anhänger verfrachtet und die Reichen und Schönen in ihre funkelnden Importautos gestiegen waren, saß Murphy in seinem Wohnzimmer mit Blick auf eine von Unkraut überwucherte
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