Todesschlaf - Thriller
ist sechs?«
»Und sie hat eine Fantasiespielgefährtin und ein Chamäleon als Haustier. Mögen Sie Teepartys?«
»Ich verstehe.«
»Und doch …« Sie seufzte erneut.
Murphy drückte seinen Zigarettenstummel auf dem Tisch aus und untersuchte ihn eingehend. »Das ist die Frage«, gestand er zu. »Und Fragen machen mich neugierig.«
»Neugierig ist ein gutes Wort.«
»Für Sie muss das ja noch viel schlimmer sein als für mich. Sie sind darauf abgerichtet, die Initiative zu übernehmen.«
»So viel dazu.«
»Und außerdem haben Sie auch noch Spaß daran, die Initiative zu übernehmen.«
Sie grinste nur, und Murphy hatte plötzlich Aschegeschmack im Mund.
Sie saßen noch eine Weile da und Murphy fragte sich, wieso er das eigentlich machte. Wieso er sich mit hineinziehen ließ. Er wollte von dieser Geschichte nichts wissen. Er wollte nicht, dass Sherilee dahinterkam, wo er gerade herumschnüffelte, und von ihm erwartete, dass er alles auskundschaftete, was sie störte. Er wollte kein Durcheinander und keinen Druck, nur um hinterher wieder einmal erleben zu müssen, dass sich eigentlich niemand wirklich für seine Enthüllungen interessierte.
Weil es genauso sein würde. Niemand interessierte sich wirklich dafür. Über schlechte Nachrichten regten sich die Leute auf und die guten langweilten sie. Skandale benötigten ein Minimum an Aufmerksamkeit, aber nach einem harten Tag im beruflichen Existenzkampf und einem noch aufreibenderen Abend in einem der schwimmenden Kasinos hatte niemand mehr etwas davon übrig.
Aber wenn es etwas gab, was Murphy noch mehr verabscheute als sich anzustrengen, dann war es, eine Frage ungeklärt zu lassen. Wie zum Beispiel, wieso ein Polizist, der bezüglich eines Mordversuchs, an dem niemand sonst interessiert gewesen war, die falschen Fragen gestellt hatte, nunmehr selbst ermordet worden war. Und wieso die einzige Person, die solchen Fragen nicht auswich, ausgerechnet eine zugezogene Krankenschwester war.
»Sie haben tatsächlich eine Ausbildung zur Sonderinspektorin der Gerichtsmedizin?«
Sie ließ das Kinn wieder in die Hände sinken. »Ich bin staatlich geprüfte forensische Krankenschwester und sowohl für Ermittlungen im Zusammenhang mit jeder Art von
Gewaltausübung gegen Menschen als auch für Präventivmaßnahmen ausgebildet. Aber im Augenblick kommt es mir so vor, als wäre das nichts anderes als eine Lizenz für geplatzte Freundschaften, Schlafmangel und den Verlust des Arbeitsplatzes.«
»Aber immerhin praktisch, wenn man einen Mord untersuchen muss.«
»Seien Sie bloß still.«
»Falls Sie einen Mord untersuchen müssten, was würden Sie dann unternehmen?«
Sie rauchte die Zigarette zu Ende und schnippte sie mit geübten Fingern in die Häusertrümmer. »Dem Leichenbeschauer noch ein bisschen kräftiger auf die Zehen steigen. Mit ein paar Bekannten bei der Brandstiftung Rücksprache nehmen, dann noch mal mit der Polizei und den Nachwuchs-Feuerlöschern hier vor Ort sprechen. Ganz allgemein einfach allen Beteiligten auf die Nerven fallen.«
»Nachwuchsfeuerlöscher?«
Jetzt fiel ihr Lächeln ein wenig ungezwungener aus. »Ein interner Spitzname. Brandursachenermittler, die über mehr Energie als Erfahrung verfügen, und die im Endeffekt nur an der Nase herumgeführt werden.«
»Mm-hmm.« Murphy betrachtete sie eine Minute lang schweigend. Süchtig nach Adrenalin. Jung, ehrgeizig und süchtig nach Adrenalin, mit einem ungebrochenen Sinn für Aufrichtigkeit und tellergroßen blauen Augen. Sie konnte garantiert noch anstrengender sein als Sherilee, wenn man sie ließ.
Andererseits hausten in Sherilees Lächeln keine alten Geister. In Timmie Learys schon.Alte Geister und eine erfrischend ehrliche Andeutung von Wut. Und Murphy konnte nur hoffen, dass diese Kombination den entscheidenden Unterschied ausmachte.
»Wissen Sie was?«, sagte er schließlich, nur um es im selben
Moment schon zu bereuen. »Wie wäre es, wenn wir uns von verschiedenen Seiten der Sache nähern? Sie untersuchen das Feuer und ich kümmere mich um das große Ganze.«
»Das große Ganze.«
»Was ein paar vereitelte Schüsse mit einem geheimnisvollen Anruf und dem Memorial Medical Center zu tun haben könnten.«
»Aha.«
»Und falls Sie mir Victor Adkins Sozialversicherungsnummer beschaffen können, dann besorge ich Ihnen ein paar Hintergrundinformationen. Vielleicht sollten Sie sich auch einfach nur ein bisschen im Krankenhaus umhören. Unter Umständen bekommen Sie ja irgendeinen
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